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Elisabeth Kulman singt die Fricka in Wagners "Walküre" Oper, aber auf Augenhöhe

Der Münchner "Ring" mit dem BR-Symphonieorchester unter Simon Rattle geht in die zweite Runde - mit der "Walküre" von Richard Wagner. Elisabeth Kulman ist als Wotans streitbare Gattin Fricka mit dabei. BR-KLASSIK hat die Sängerin vor der Aufführung getroffen. Ein Gespräch über Treue, Missstände im Opernbetrieb und Mut zu offenen Worten.

Bildquelle: © Nancy Horowitz

BR-KLASSIK: Frau Kulman, was ist Fricka für eine Frau für Sie? Ist sie eher eine wertkonservative Frau, weil sie auf ihrem Recht beharrt? Oder ist sie vielleicht sogar eine emanzipierte Frau, weil sie sich Wotans Plänen widersetzt - und zwar mit Erfolg?

Elisabeth Kulman: Sowohl als auch, würde ich sagen. Sie ist per Text die Hüterin der Ehe. Das heißt, sie verteidigt ihre Rechte und ihren Stand und pocht auf die Treue, die sie von Wotan allerdings nicht bekommt. Sie hat viel erlebt, sie ist mit allen Wassern gewaschen. Sie weiß, worauf sie sich mit diesem Gatten einlässt. Und ich denke, es macht die Figur interessanter, wenn ein Rest von Verdacht bleibt, dass sie ihn noch immer liebt und dass er sie noch immer liebt. Dass da noch ein Restfunke von Liebe übrig ist, der manchmal durchblitzt.

Fricka ist wahrscheinlich meine Lieblingsrolle.
Elisabeth Kulman

BR-KLASSIK: Fricka wird auf der Bühne oft als eine keifende Zicke dargestellt. Ich denke, Ihnen wäre das zu einfach, oder?

Elisabeth Kulman: Ja, natürlich. Diese Frau hat ganz viele Facetten. Und vor allem: Sie ist eine große Strategin, eine Taktikerin par excellence. Sie setzt alle Waffen ein - die weiblichen und sonstigen -, um ihren Willen durchzusetzen und Wotan seine Untreue heimzuzahlen. Das ist eine Figur, in der man ganz viele Nuancen finden und immer wieder etwas Neues entdecken kann. Und es ist wahrscheinlich meine Lieblingsrolle.

Lesen Sie hier ein Interview mit Simon Rattle über die Münchner "Walküre"

Oper nur noch konzertant

BR-KLASSIK: Sie machen ja momentan nur konzertante Opern. Was war für Ihren Entschluss, sich von der Opernbühne, von szenischen Inszenierungen zurückzuziehen, ausschlaggebend? Waren das die Willkür, die Ausbeutung, die Machtstrukturen, die derzeit an Opernhäusern herrschen?

Elisabeth Kulman: Ich bin einfach ein Mensch, der sehr kreativ ist und der sich nicht so gerne einschränken lässt. In einem großen Betrieb, wie es die Oper nun mal ist, gibt es viele Stimmen, die einem sagen, was zu tun ist. Und ich bin damit sehr schwer zurechtgekommen. Ich habe einen starken Willen, ich habe sehr viele eigene Ideen - ich wollte aber auch nicht kämpfen dafür, weil dort nicht der richtige Platz dafür ist. Natürlich haben der Regisseur und der Dirigent das Sagen - und nicht ich. Aber ich mag's halt gerne auf Augenhöhe, zum Beispiel wie im konzertanten Bereich, wo ich mit dem Dirigenten wirklich auf Augenhöhe kommunizieren kann, wo man nicht streitet, wo man miteinander etwas entwickelt. Idealerweise sollte das in der Oper auch so sein, aber leider ist es meistens nicht so.

BR-KLASSIK: Was müsste sich im Opernbetrieb ändern, damit Sie doch wieder dabei wären?

Elisabeth Kulman: Warum soll sich die Oper an mich anpassen? Ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann sollen die das aussprechen, die im Opernbetrieb arbeiten. Ich ermutige ja auch meine Kollegen dazu: Ich habe einen YouTube-Kanal, in dem ich meine Kollegen interviewe, sie dazu befrage, was sie meinen, wo man etwas verbessern könnte. Auf diesem Youtube-Kanal für professionelle Sängerinnen und Sänger wird über all diese Themen gesprochen, das ist mir wichtig. Aber ich persönlich habe mich da rausgenommen.

Elisabeth Kulman: Mitbegründerin der Initiative "art but fair"

BR-KLASSIK: Sie haben sich auch als Mitbegründerin in der Initiative art but fair engagiert - also Kunst, aber eben unter fairen Bedingungen. Wo hatten Sie bereits Erfolge zu verzeichnen und wo hakt es noch im Moment?

Elisabeth Kulman: Naja, das Ziel, dass art but fair nicht mehr nötig ist, ist noch nicht erreicht. Da gibt's noch viel zu tun. Aber ich denke, damit wurde ein Anfang gemacht, ein Bewusstwerdungsprozess. Art but fair hat in Deutschland zum Beispiel erreicht, dass Parteien einige Ideen und Vorschläge, die art but fair liefert, in ihre Parteiprogramme aufnehmen. Das sind schon wichtige Schritte. Es geht auch um eine Art Lobby, die zeigt: Da gibt's Missstände, da gibt's Probleme, die muss man anschauen, die muss man anpacken.

Ich versuche so viel wie möglich, Missstände aufzuzeigen.
Elisabeth Kulman

BR-KLASSIK: Sie haben ja selbst einige Krisen durchgemacht. Machen sie einen stärker? Und woher nehmen Sie den Mut, sich so für diese Themen einzusetzen?

Elisabeth Kulman: Ich plädiere für eine offene Gesellschaft, in der man Dinge ausspricht, authentisch ist. Ich versuche so viel wie möglich, Missstände aufzuzeigen, die so gerne unter den Teppich gekehrt werden. Aber woher ich den Mut nehme? Ich mach's einfach, weil es wichtig ist. Da diskutiere ich nicht mit mir.

BR-KLASSIK: Wird man vielleicht auch angefeindet?

Elisabeth Kulman: Ich spüre das überhaupt nicht. Alles, was ich getan habe, bringt mir nur mehr Respekt. Und das ist schön, ich bin froh darüber. Viele kommen auf mich zu und bitten mich um Hilfe - und ich helfe dann auch gerne und ermutige die Leute, zeige ihnen den Weg dorthin. Es ist so wichtig, dass man über Missstände offen spricht.

Das Gespräch führte Frideman Leipold für BR-KLASSIK.

Infos zum Konzert

Richard Wagner: "Die Walküre"
Freitag, 8. Februar 2019
Sonntag, 10. Februar 2019

München, Herkulessaal der Residenz

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Sir Simon Rattle

Sendung: "Leporello" am 8. Februar 2019 ab 16:05 Uhr in BR-KLASSIK.

BR-KLASSIK überträgt die "Walküre" unter der Leitung von Simon Rattle am Freitag, 08.02.2019 ab 17:05 Uhr live im Radio.