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Kultur in der Krise Jeder dritte freie Musiker in Berlin gibt den Beruf auf

Knapp ein Drittel der freien Musikschaffenden aus Berlin sieht im Musikerberuf keine Perspektive mehr. Das ergab eine Umfrage des Landesmusikrats Berlin. Viele haben ihren Beruf bereits aufgegeben oder sind dabei, sich neu zu orientieren. Ein Kongress soll nun auf die zerbrechlichen Lebensentwürfe von Künstlerinnen und Künstlern aufmerksam machen.

Bildquelle: BR/Natasha Heuse

Keine Konzerte, keine Einnahmen, ungewisse Zukunft: Vor allem freischaffende Musikerinnen und Musiker trifft die Coronakrise hart. Das ergab eine Umfrage des Landesmusikrats Berlin, die am 25. Januar veröffentlicht wurde.

Musikschaffende hadern mit der Zukunft

Demnach sehen 29 Prozent der befragten Musikerinnen und Musiker keine berufliche Perspektive mehr. Sie planen einen Berufswechsel oder haben bereits einen anderen Beruf ergriffen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Befragten benötigt jetzt finanzielle Unterstützung und hoffe, die berufliche Existenz in diesem Jahr wiederaufzubauen. Nur ein Fünftel der Musikschaffenden sieht positiv in die Zukunft und benötigt keine Unterstützung.

Wenig Unterstützung durch Novemberhilfe

An der Umfrage des Landesmusikrates beteiligten sich 485 Berliner Musikschaffende, von denen ein Drittel ausschließlich künstlerisch tätig ist und zwei Drittel auch Musikunterricht gaben oder geben. Knapp zehn Prozent haben Nebeneinkünfte aus anderen Tätigkeiten.

Nur ein Fünftel der Berliner Musikschaffenden sieht positiv in die Zukunft. | Bildquelle: MEV/Karl Holzhauser Nur ein kleiner Teil konnte laut Umfrage von den sogenannten Novemberhilfen des Bundes profitieren. Für 20 Prozent der befragten Musikschaffenden lief die Antragstellung reibungslos. Die meisten haben jedoch von einer Antragstellung abgesehen. Als Gründe gaben sie unter anderem unklare Regularien, Angst vor einer drohenden Rückzahlung oder zu hohe Nebeneinkünfte an.

Viele Künstlerinnen und Künstler fallen durchs Raster

Die Coronakrise macht deutlich, wie fragil die Lebensentwürfe vieler Künstlerinnen und Künstler sind. Viele hangeln sich von einem befristeten Projekt zum nächsten, haben keine Planungssicherheit und fahren mehrgleisig, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Das Bewusstsein für die Produktionsverhältnisse und Lebensweisen im Kultursektor sind gering, das müssen wir ändern.
Hella Dunger-Löper, Präsidentin des Landesmusikrats Berlin

Die parallele Arbeit in verschieden Sektoren und mit wechselnden Funktionsbezeichnungen macht es für Behörden und Förderinstitutionen schwierig, die tatsächliche Lebenssituationen zu erfassen. Das Ergebnis: Viele Musikerinnen und Musiker fallen bei Förderanträgen durchs Raster oder bewerben sich erst gar nicht, weil die Antragsverfahren andere Lebensentwürfe nahelegen.

Bewusstsein für alternative Lebensentwürfe schaffen

Viele Musikerinnen und Musiker fallen bei Förderungen durchs Raster, weil die Antragsverfahren nicht auf ihre Lebensentwürfe zugeschnitten sind. | Bildquelle: BR/Fabian Stoffers "Das Bewusstsein für die Produktionsverhältnisse und damit einhergehende Lebensweisen, wie sie im Kultursektor verbreitet sind, ist gering, das müssen wir ändern", mahnt Hella Dunger-Löper, Präsidentin des Landesmusikrats Berlin, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Deshalb veranstaltet der Landesmusikrat nun eine Online-Konferenz zur Lage freischaffender Musikerinnen und Musiker, die sich über vier Mittwochstermine erstrecken wird.

Eingeladen sind unter anderem die Gewerkschaft Verdi, der Tonkünstlerverband Berlin und die Deutsche Orchestervereinigung. Sie sollen mit politisch Verantwortlichen darüber reden, wie den Betroffenen in der Krise besser geholfen werden kann und welche Perspektiven es für sie nach der Pandemie gibt. Auch betroffene Musikerinnen und Musiker werden an der Konferenz teilnehmen und auf ihre Probleme aufmerksam machen.

Wir brauchen die Kultur als eine Form der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge.
Hella Dunger-Löper

Bessere Absicherung für Musikschaffende

"Es darf nicht sein, dass wir uns als Gesellschaft, wenn es uns gut geht, an der Kunst erfreuen und sobald es knapp wird sagen, Pech gehabt," so Hella Dunger-Löper. Darum sei es so wichtig, mit Betroffenen und der Politik über den Zugang von Musikerinnen und Musikern zur Arbeitslosenversicherung und Altersabsicherung zu reden. Auch ein Kulturfördergesetz könne helfen. "Wir brauchen die Kultur, das steht außer Frage, als eine Form der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge."