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Jessye Norman gestorben Zum Tod der US-amerikanischen Opernsängerin

Alles an ihr war groß: Der unerschöpflich scheinende Atem, die weit gespannten Phrasierungsbögen, die voll strömende, den Tonumfang von Alt bis Sopran mühelos durchmessende Stimme und nicht zuletzt die majestätische Gestalt – oft gekrönt durch exotische Turbankreationen. Jessye Norman war eine Ausnahmeerscheinung, die nicht nach herkömmlichen Maßstäben zu messen ist. Nun ist die Sängerin im Alter von 74 Jahren gestorben.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

1945 kam sie im US- Bundesstaat Georgia zur Welt – als Tochter einer schwarzen Mittelklasse-Familie, die in der Bürgerrechtsbewegung aktiv war. Politisches Bewusstsein und soziales Engagement wurden ihr von zu Hause mitgegeben; die Begeisterung für die Oper weckten die wöchentlichen Radio-Live-Übertragungen aus der Metropolitan Opera. Leontyne Price und Marian Anderson waren bald die Idole der jungen Jessye Norman und führten sie zum Musikstudium nach Washington. Von dort ging es 1968 nach München zum Internationalen ARD-Musikwettbewerb, den sie konkurrenzlos gewann. Die Opernwelt ahnte, dass hier eine Jahrhundertstimme auf den Plan getreten war. Wenig später unterschrieb die 23-jährige Norman, die noch nie auf der Bühne eines Musiktheaters gestanden war, einen Dreijahres-Vertrag an der Deutschen Oper Berlin.

Ich machte mein Debut als Elisabeth im Tannhäuser von Wagner – das klingt wie ein Märchen, aber es ist doch wahr.
Jessye Norman

Jessye Norman hatte hohe Ansprüche an den Opernbetrieb

Jessye Norman, Aufnahme von 1973 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Es folgten Engagements mit Mozart in Berlin, Verdi in Mailand, Meyerbeer in Florenz und Berlioz in London. Doch vereinnahmen ließ sich Jessye Norman nicht vom Opernbetrieb. Oft genügten die Probenbedingungen nicht ihren hohen Ansprüchen. Und was auf ihre "To sing"-Liste kam, das entschied sie ganz allein: Neben ausgewählten Repertoire-Opern waren das eher Ausnahmewerke wie Schönbergs "Erwartung" oder "Herzog Blaubarts Burg" von Bartók. Besonders aber Lieder von Schubert, Schumann und Brahms, Fauré, Poulenc, Ravel und Mussorkskij – immer in der eigens erlernten Originalsprache.      

Ich singe nur, was mir wirklich am Herzen liegt.
Jessye Norman

Klassische Lieder vermischt mit Arien

Wer glaubte, dass eine so üppige Stimme im Lied irgendwie deplatziert wirken müsse, der hatte nicht mit Jessye Normans künstlerischer Intelligenz und subtiler Differenzierungsgabe gerechnet. Die Töne für einen verinnerlicht lyrischen Ausdruck standen ihr genauso natürlich zur Verfügung wie für einiges andere, was man einer Operndiva nicht zutraute. Spiritual, Gospel und Jazz sang sie in reiferen Jahren immer mehr, gerne vermischt mit klassischen Liedern und Arien. "Schubladen sind nur für Socken gut", war einer ihrer Grundsätze. Ein anderer: "Auf der Bühne immer 100 Prozent!"

Einen Nachruf auf Jessye Norman sendet BR-KLASSIK im Musikmagazin "Allegro" am 1. Oktober 2019 ab 6:05 Uhr.

Programmänderung auf BR-KLASSIK zum Tod von Jessye Norman

Dienstag, 1. Oktober 2019 ab 19:05 Uhr "In memoriam Jessye Norman"
Mittwoch, 2. Oktober 2019 ab 20:05 Uhr "Opernabend mit Jessye Norman"
Samstag, 5. Oktober 2019 ab 11:05 Uhr "Meine Musik" mit Jessye Norman (Archivsendung von 2009)
Samstag, 5. Oktober 2019 ab 13:05 Uhr "Jessye Normans schönste Lieder"