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Buch – "I Sing the Music of my Heart" Jessye Normans Memoiren

Die Weltkarriere der Sopranistin Jessye Norman begann in Deutschland, wo sie mit 23 Jahren den ARD Musikwettbewerb gewann. Von da an war sie nicht mehr zu bremsen. Im September feiert die Sopranistin ihren 70. Geburtstag. Vorab hat sie ihre Memoiren veröffentlicht.

Buchcover: Memoiren von Jessye Norman | Bildquelle: dtv-Verlag

Bildquelle: dtv-Verlag

"Ich bin dahin gegangen, ein Jahr nachdem ich den Preis in München gewonnen habe. Das klingt so wie ein Märchen. Das ist natürlich wunderbar und ich fühle mich so zu Hause in Deutschland. Ich kam hier ohne Erfahrung und habe dann so viel gelernt." (Jessye Norman)

In ihren heuer veröffentlichten "Erinnerungen" schreibt sie, dass sie quasi in Berlin aufgewachsen sei und der Stadt in "künstlerischer, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht immer dankbar" war, denn hier habe sich ihr Weltbild "einerseits durch alltägliche Erfahrungen" und andererseits "durch die unbewusste Übernahme von Ritualen und Praktiken" erweitert. Im Westen, wie im Osten, den sie regelmäßig besuchte. Berlin ermöglichte ihr "eine ganz persönliche Kulturrevolution". Und ein halbes Jahr vor ihrem Berliner "Tannhäuser"-Debüt lernte sie Deutsch.

Von Wurzeln und Spiritualität

In 11 Kapiteln, dem ein Vorwort von James Levine vorausgeht und dem ein "Nachspiel" samt "Coda" folgt, erzählt Jessye Norman aus ihrem Leben, vom Erwachsenwerden, ihrer großen Familie, die stark im Glauben verwurzelt ist, und sie bekennt: "Meine Mutter ist die Hauptheldin meines Lebens“. Auch für Jessye Norman spielt Spiritualität bis heute eine große Rolle. Musik wurde im Hause Norman als Hobby betrieben und ihre Eltern waren neben dem großen Engagement in der Kirche aktive Mitglieder in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Allgegenwärtig ist das Thema Rassismus, dem sie auch heute als große Künstlerin immer wieder ausgesetzt ist. Bereits als Kind galt jedoch der Grundsatz, besser zu sein als die anderen. Vorbild für Jessye Norman ist die erste große amerikanische Sängerin Marian Anderson und deren Kampf gegen Rassismus und für humanes Engagement. Jessye Norman hat sogar einer Künstlerkollegin bei der Flucht aus der DDR geholfen.

Politische Positionierung

Gesellschaftspolitische bzw. kritische Themen liegen ihr in ihrem Buch sehr am Herzen. Auch die Begegnungen mit den großen amerikanischen Repräsentanten der Politik werden ausgiebig geschildert. Detaillierte Ausführungen zur und über die Musik finden sich jedoch wenig. Obwohl sie natürlich über Konzerte, Opernproduktionen und Künstlerkollegen spricht, bleiben Fragen der musikalischen Interpretation oder Details zur Stimme an der Oberfläche. Interessant ist auch das Eingangskapitel, indem sie vom ARD-Musikwettbewerb und dem seltsamen Umgang der damaligen Jury mit ihr erzählt. So offen hat sie über den Beginn ihrer Karriere wohl selten gesprochen.

Ein Plus des Buches: Jessye Norman schreibt ohne Ghostwriter. Allerdings bewahrte sie das nicht vor Redundanzen. Ihr Stil ist unterhaltsam plaudernd, emotional überschwänglich. Zugleich bleibt sie distanziert und unverbindlich, weil sie häufig weder Namen noch Orte nennt, auch um Personen zu schützen, insbesondere wenn es ums Private geht. Dennoch bekommt man viele Einblicke in das bewegte Leben dieser großartigen Künstlerin und starken Frau.

Jessye Norman: "I Sing the Music of My Heart - Erinnerungen"

Erschienen im dtv Verlag
352 Seiten

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