BR-KLASSIK

Inhalt

Regisseur Kirill Serebrennikov unter Hausarrest Proteste aus der Kulturszene

Russische Behörden verhängten am 23. August Hausarrest gegen den Regisseur Kirill Serebrennikov. Dem Theatermacher und Kreml-Kritiker wird vorgeworfen, staatliche Gelder von umgerechnet knapp einer Million Euro veruntreut zu haben. Eine Welle der Empörung geht seit der Verhaftung durch die russische und internationale Kulturszene. Kulturstaatsministerin Grütters forderte den russischen Kulturminister auf, sich für den Regisseur einzusetzen. Aus Deutschland gibt es außerdem eine Online-Petition für Serebrennikovs Freilassung.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Am 22. August ist der russische Theatermacher Kirill Serebrennikov unter Betrugsverdacht in St. Petersburg festgenommen und zu weiteren Vernehmungen nach Moskau gebracht worden. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 2011 und 2014 staatliche Gelder in Höhe von 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) veruntreut zu haben. Am 23. August verhängte eine Moskauer Haftrichterin dann Hausarrest, weil bei Serebrennikov Fluchtgefahr bestünde - so argumentierten die Behördenvertreter und verwiesen dabei auf Serebrennikovs bevorstehendes Engagement in Stuttgart. Die Justiz stuft den Fall als besonders schweren Betrug ein. Darauf stehen im russischen Strafrecht hohe Geldstrafen oder bis zu zehn Jahre Haft.

Natürlich möchte ich, dass man mich freilässt. Ich bekenne mich nicht schuldig
Kirill Serebrennikov

Serebrennikov-Inszenierung an der Oper Stuttgart findet statt

Der Hausarrest soll zunächst bis zum 19. Oktober gelten und bedeutet eine weitgehende Kontaktsperre: Serebrennikov darf kein Internet nutzen und keine Post verschicken. Die Oper Stuttgart sieht in dem verhängten Hausarrest eine unverhältnismäßig strenge Maßnahme, wie sie am 23. August mitteilte. Die Premiere von Serebrennikovs Inszenierung der Oper "Hänsel und Gretel", die für den 22. Oktober 2017 angesetzt ist, soll dennoch wie geplant stattfinden. Kirill Serebrennikov hätte wesentliche Teile des Inszenierungskonzepts, das Bühnenbild und die Kostüme bereits fertiggestellt. Chefdramaturg Sergio Morabito sagte, dass er gerade in Moskau mit Mitarbeitern des in Hausarrest sitzenden Serebrennikow plane, wie die Inszenierung auch ohne ihn am 22. Oktober Premiere feiern könne. Das einmalige Projekt sei weit gediehen. "Alle sind kampfeswillig", sagte Morabito vor dem geplanten Probenstart Mitte September. Nach Darstellung von Morabito sollen Mitarbeiter von Serebrennikow die Oper inszenieren. Nach seiner Freilassung habe der Regisseur freie Hand, das Stück neu zu inszenieren. Im Zentrum der Aufführung steht ein bereits von Serebrennikow abgedrehter Film über Kinder in Ruanda, die auch nach Stuttgart kommen sollen.

Alle sind kampfeswillig.
Sergio Morabito, Chefdramaturg an der Staatsoper Stuttgart

"Kirill Serebrennikov ist ein wichtiger Partner für die Oper Stuttgart," - sagte die baden-württembergische Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer. "Er ist ein kritischer Kopf, seine Arbeit erfährt international große Anerkennung. Ich hoffe, dass sich der Sachverhalt schnell aufklärt und er wieder freikommt."

Ein "kulturpolitischer Affront"

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, zeigte sich angesichts der Situation von Kirill Serebrennikov besorgt und forderte ein Menschenrechtsverfahren ein. Und auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur von Russland die Freilassung des Moskauer Theaterleiters angemahnt. "Ich fordere natürlich von meinem Kollegen, dem russischen Kulturminister, dass er sich bei seinen Behörden dafür einsetzt, dass Serebrennikow auf freien Fuß gesetzt wird", sagte Grütters. "Alles andere wäre nicht nur gesellschaftlich und politisch, sondern auch kulturpolitisch ein Affront." Die Vorwürfe der russischen Behörden gegen Serebrennikow nannte die Ministerin einen "merkwürdigen Vorwand".

Unterstützung für Serebrennikov aus der ganzen Welt

Kirill Serebrennikov im Moskauer Gerichtssaal | Bildquelle: Stanislav Krasilnikov/TASS/dpa

Serebrennikovs Verhaftung löste eine Welle der Empörung in der russischen und internationale Kulturszene aus. Warum werde Serebrennikov so brutal behandelt, fragte der Publizist Nikolai Swanidse. "Was ist er, ein Vergewaltiger, ein Serienkiller, eine Gefahr für die Gesellschaft?", sagte er gegenüber der Agentur Interfax. Internationale Künstler haben die russische Staatsanwaltschaft in einem offenen Brief aufgefordert, die Strafverfolgung einzustellen. "Wir protestieren gegen die Verhaftung von Kirill Serebrennikov. Die Vorwürfe gegen ihn sind unhaltbar und lassen erkennen, dass hier ein international renommierter Regisseur mundtot gemacht werden soll," heißt es im Brief. Die Zahl der Unterzeichner der auf der Plattform change.org veröffentlichten Petition - initiiert vom künstlerischen Leiter der Berliner Schaubühne, Thomas Ostermeier, und dem Dramatiker Marius von Mayenburg - steigt weiter an. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem die Schauspielerinnen Nina Hoss und Cate Blanchett, Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder der Pianist Igor Levit.

Auch der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis unterzeichnete die Petition und verurteilte das Vorgehen der russischen Behörden: Solch ein grober und voreingenommener Umgang mit einem Künstler sei unzulässig, sagte Currentzis: "Nicht nur ein großer russischer Regisseur, sondern die ganze Zukunft der russischen Kultur sitzt nun auf der Anklagebank."

Der Kreml weist den Zensurvorwurf zurück

Russlands Staatsführung hat unterdessen den Zensurvorwurf im Fall Serebrennikov von sich gewiesen. "Wir müssen geduldig sein, über Politisierung oder Zensur zu sprechen bringt rein gar nichts", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch (30. August 2017) in Moskau - wie die Nachrichtenagentur TASS berichtet. Diese Argumentation sei absolut unangebracht.

Sendung: "Leporello" am 28. August 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK