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Kritik – Martin Grubinger bei den Salzburger Festspielen Konzertmarathon und was "Lockeres" als Zugabe

Bekannt für außergewöhnliche Auftritte ist Multi-Perkussionist Martin Grubinger schon lange. Bei den Salzburger Festspielen präsentierte der gebürtige Salzburger am 22. August 2021 in der Felsenreitschule zusammen mit seinem Percussive Planet Ensemble und Bariton Georg Nigl ein vielseitiges Programm. Mit dabei als Schlusspunkt war auch eine Uraufführung von seinem Vater, Lehrer und Mentor Martin Grubinger senior.

Bildquelle: Simon Pauly

Was „Lockeres“ als Zugabe versprach Martin Grubinger nach intensiven drei Konzertstunden. Anmoderiert hat er damit die Uraufführung eines neuen Stückes von seinem Vater. Darin geht es um die Zahl Sieben, die anspielungsreich im Titel „Number of Fate“ steckt, vor allem aber mit dem Siebenermetrum arbeitet und dieses als vertracktes Ordnungsmuster den sechs Interpreten in verschiedenen Varianten abverlangt.

Präzises Zusammenspiel und ungebremste Energie

Was das begeisterte Publikum dann als einen Klangstrom aus ineinandergreifenden und jazzig groovenden Rhythmen wahrnimmt und mit Standing ovations feiert, fordert von den Schlagzeugern präzises Zusammenspiel und ungebremste Energie. Vergessen scheint bei den soeben noch um die Hörer im Raum verteilten Perkussionisten die erzeugte körperliche Klanggewalt der bahnbrechenden Xenakis-Komposition „Persephassa“. Sie versammeln sich für die Grubinger-Zugabe jetzt wieder auf der Bühne, haben sich körperlich verausgabt, wirken aber dennoch entspannt. Zwischendurch kommt nun die baskische Txalaparta zum Einsatz, ein archaisch wirkendes Schlaginstrument aus sieben unterschiedlich langen Vierkanthölzern, die mit senkrecht gehaltenen Stöcken von drei Musikern geschlagen werden.

Percussionist Martin Grubinger | Bildquelle: Simon Pauly Bis dahin hat Martin Grubinger mit seinem Percussive Planet Ensemble bereits anspruchsvolle Musik in einem Mammutprogramm zum Klingen gebracht, darunter Werke von Kalevi Aho, Philippe Manoury oder Peter Eötvös und Percussion-Klassiker von Edgar Varèse und Iannis Xenakis. Auf der großen Bühne der Felsenreitschule ist ein eindrucksvolles, riesiges Set an Schlaginstrumenten aufgebaut. Dazwischen bewegen sich die Musiker virtuos hin und her, wechseln oft innerhalb eines Stückes mehrfach ihre Positionen oder verschieben das eine oder andere Objekt: kleine und große Trommeln, Becken, Congas, Bongos, Marimba, Xylophon, Vibraphon – alles, was sich mit Schlägeln, Sticks, Klöppeln und Händen bearbeiten lässt.

Phänomenal und ergreifend

Im Stück „Kassandra“ des griechischen Komponisten Iannis Xenakis steht Martin Grubinger der unglaublich wandlungsfähige Sänger Georg Nigl zur Seite. Der Bariton begleitet sich selbst auf einem elektronisch verstärkten Saiteninstrument, mimt abwechselnd im hohen Falsett singend die vom Schmerz gemarterte Kassandra und in seiner natürlichen Stimmlage den distanziert und verständnislos bleibenden Chor. Wie Grubinger und Nigl diese dramatische Fallhöhe der antiken Textvorlage und die archaisch gefärbte musikalische Atmosphäre gestalten, ist phänomenal und ergreifend.

Es bleibt ein Höhepunkt dieses an spektakulären Momenten reichen und außergewöhnlichen Konzertabends. Bemerkenswert ist, wie packend und erfolgreich Martin Grubinger, sein Percussive Planet Ensemble und Bariton Georg Nigl herausforderndes Repertoire der Gegenwartsmusik und groovende Rhythmen zusammenbringen und vermitteln. Das klappt mit zwingender und kluger Dramaturgie und durch einzigartige Spielfreude, natürliche Überzeugungskraft und großes Können. Ein energietreibendes und absolut festspielwürdiges Erlebnis!

Sendung: "Leporello" am 23. August 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK