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Kritik: Messiaens Oper "Saint François d'Assise" am Theater Basel Im Supermarkt der Apokalypse

Viele Regisseure machen einen großen Bogen um dieses Schlüsselstück der Moderne, nicht aber der Kölner Benedikt von Peter. Er beginnt seine Intendanz am Theater Basel fulminant mit Olivier Messiaens "Saint François d'Assise".

Bildquelle: © Ingo Höhn

Acht Szenen mit mehr als vier Stunden Musik über Leben, Leiden und Sterben des Heiligen Franziskus. Da muss man wirklich Ideen haben, wenn man nicht nur ein katholisches Oratorium zeigen will. Benedikt von Peter, der so kluge Fachmann fürs Schwierige, scheinbar Uninszenierbare, zeigt zum Auftakt seiner Intendanz am Theater Basel jetzt eine echte Deutung des Stücks.

Weltuntergang am Stadtrand

Das Orchester mit auf der Bühne. | Bildquelle: © Ingo Höhn Franziskus lebt mit seinen Mitbrüdern, beziehungsweise Mitstreitern, in einem Zeltlager unter Strommasten, vor einem zerfallenen Supermarkt am Stadtrand von Paris. "Carrefour" liest man, das ist eine französische Discounterkette. Der Name ist wichtig, weil das Wörtchen "Fou" drinsteckt, das meint den Narren, den Verrückten. Franziskus irrt durch die von Bühnenbildner Márton Ágh kreierte apokalyptische Szenerie, die das gesamte Theater umfasst und durchzieht. Das Publikum sitzt mittendrin, ebenso das Orchester.

Klangliche Textur trotz abgespeckter Partitur

Geleitet wird das Orchester von Clemens Heil. Das macht dieser mit großer Perfektion und Energie, wobei einige Kürzungen der Partitur vorgenommen wurden. Außerdem erstellte Oscar Strasnoy eine um etwa zwei Drittel reduzierte Instrumentierung. Die berühmten elektronischen Ondes Martenots sind noch da und auch sonst Vieles. Es fehlen zwar einige Farbmischungen, dafür bleiben Textur und Rhythmik unangetastet. Der Chor ertönt unsichtbar aus dem Off, er verfolgt Franziskus, singt gleichsam auf ihn ein, ebenso wie Messiaens überwältigende Vogelkonzerte gegen die Tristesse hereinrauschen. Franziskus allerdings bastelt gefiederte Sänger aus Papier – echte; lebendige gibt es in diesem Ambiente keine mehr.

Wenn profane Exzellenz aufscheint

In den Händen: "Gefiederte Sänger aus Papier" | Bildquelle: © Ingo Höhn Während in vielen klassischen Opern meist am Ende die Transzendenz einbricht, vom Schicksal Gepeinigte erlöst werden oder Liebespaare im Jenseits zueinander finden, bricht in Basel das Profane in Messiaens Stück ein. Das ist gewagt und irgendwie auch vermessen, funktioniert aber als Ganzes szenisch hervorragend. Auch weil das Ensemble so brillant agiert, Nathan Berg singt den Franziskus mit müheloser Agilität, Álfheidur Erla Gudmunsdóttir gibt einen wunderbaren Engel, der in dieser Deutung eine sehr irdische verlorene Seele ist, Rolf Romei zeichnet vokal und gestisch das erschütternde Portrait eines Leprakranken, der nach seiner Heilung durch Franziskus zum immer mal wiederauftauchenden Todesboten mutiert.

Man muss vor dieser großartigen Leistung aller Mitwirkenden sämtliche Hüte ziehen! Und die Strahlkraft von Messiaens Musik ist auch in Basel so groß, dass sie eben doch eine (Hinter-)Tür zum Himmel auflässt, nein, aufreißt ...

"Saint François d'Assise" am Theater Basel

Oper in drei Akten und acht Bildern von Olivier Messiaen
Reduzierte Orchesterfassung von Oscar Strasnoy

Musikalische Leitung – Clemens Heil
Inszenierung – Benedikt von Peter
Bühne und Kostüme – Márton Ágh
Lichtdesign – Tamás Bányai
Chorleitung – Michael Clark
Dramaturgie – Roman Reeger

Mehr Informationen zu den weiteren Vorstellungen finden Sie hier.

Sendung: "Leporello" am 16. Oktober ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK