Lange her, dass auf einer Bühne eine Schreibmaschine zum Einsatz kam, so eine altmodische, lärmige, mit hartem Anschlag und Gummiwalze. Aber es hatte schon seine Richtigkeit, dass das Ding im Theater Regensburg zu sehen ist: Verdis "Maskenball" verlegte Regisseur Matthias Reichwald nämlich ins neapolitanische Mafia-Milieu. Und die Mafia nutzt womöglich tatsächlich noch Schreibmaschinen, also Geräte, die garantiert keine digitalen Spuren hinterlassen.
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Hart geht es zu in dieser Szene: Es wird russisch Roulette gespielt, gefightet und gemordet, und jeder trägt am Hals drei eintätowierte Kreuze - eine Gang. Lauter rücksichtslose, verkommene Kerle wie aus der TV-Serie, und tatsächlich - so war es im Programmheft zu lesen - sollen sich die jungen Mafiosi in Neapel, alle um die zwanzig, "Gomorristi" nennen, nach der erfolgreichen und sehr blutigen Kriminalserie "Gomorrha". Da verwischen also Fiktion und Realität, und das inszenierte Matthias Reichwald durchaus doppelbödig, ja augenzwinkernd. So schleppten die Verräter einen Geigenkasten durch die Gegend - also ein Requisit aus ganz alten Kino-Klamotten. Und dass auf dem titelgebenden Maskenball alle Anwesenden dasselbe Kostüm trugen, nämlich das vom Boss, war ebenfalls ein herrlich absurder Gag. Da taten sich die Verschwörer wirklich schwer, ihr Opfer zu erkennen.
Und natürlich hing ein Kruzifix im kriminellen Vereinslokal: Die Mafia war immer streng katholisch, bekanntlich sehr zum Leidwesen des Papstes. Ein plausibler und viel beklatschter Regie-Einfall, dieser Mafia-"Maskenball", denn bei Verdi geht es um Männer, die um ihre Ehre kämpfen und dabei vor einem Mord nicht zurückschrecken. Das ist nur in einer Macho-Welt glaubhaft, und wo wäre die authentischer als in Neapel?
Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet mit Neapel hatte sich Verdi total verkracht und aus Frust seinen "Maskenball" in Rom zur Uraufführung gebracht. Aber Neapel wird selbst er offensichtlich nicht so schnell los. Die alte Frage, ob solche Schauer-Opern überhaupt ernst genommen werden können, beantwortete Matthias Reichwald also mit dem Mut zum Trash, und das erwies sich als spannend, unterhaltsam, temporeich, bildstark.
Einmal mehr waren Orchester und Sänger allerdings viel zu laut. Das kleine Regensburger Theater verträgt keinen grellen, ja reißerischen Verdi-Sound, der an größeren Häusern durchaus Effekt machen kann. Hier hätte der demnächst scheidende Chef-Dirigent Tetsuro Ban bremsen müssen. Stattdessen feuerte er alle Beteiligten, vor allem den Chor, sogar noch an. Entsprechend schrill war die Akustik.
Musikalische Leitung: Tetsuro Ban
Inszenierung: Matthias Reichwald
Choreographie: Julia Leidhold, Tamás Mester
Bühne: Jelena Nagorni
Kostüme: Jelena Nagorni, Elena Gaus
am Theater Regensburg
Premiere war am 25. Juni 2017
Weitere Vorstellungen am 28. Juni sowie 3., 9., 13., 17. und 21. Juli 2017, jeweils um 19.30 Uhr
Sendung: "Allegro" am 27. Juni 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK.