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Kommentar: Eine Bilanz der Ära Bachler "Nicht zu sehr geliebt werden wollen"

Noch bis zum Ende der Opernfestspiele am 31. Juli lenkt er eines der wichtigsten Opernhäuser der Welt. Nikolaus Bachler war ein prägender Intendant der bayerischen Staatsoper, auch wenn er – anders als seine Vorgänger August Everding und Peter Jonas – nie wirklich populär in der Stadt war. Nun ist es Zeit, Bilanz zu ziehen und Abschied zu nehmen.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Im April 2008, ein halbes Jahr, bevor er den Intendantenposten an der Bayerischen Staatsoper übernahm, wurde Nikolaus Bachler gefragt, was er am nötigsten brauche für den Job. Seine Antwort damals bringt seine Stärken ziemlich gut auf den Punkt: „Mut, Ausdauer, Stürme durchzustehen, nicht einzuknicken, nicht zu sehr geliebt werden wollen.“

Dass er zu sehr geliebt werden will – diesen Vorwurf kann man ihm wirklich nicht machen. Bachler ist kein Weltumarmer. Schon bei seinem Debüt im Nationaltheater war er der Böse: 1990 stand Nikolaus Bachler zum ersten Mal im Rampenlicht der Bayerischen Staatsoper – als Teufel. Damals übernahm er als Schauspieler die Rolle des Samiel in Webers "Freischütz". Die Inszenierung verstörte das Münchner Opernpublikum und wurde in Grund und Boden gebuht. Der Opernskandal war perfekt. Und Bachler – glücklich. "Heute würde man das 'geil' nennen", erinnert sich der Intendant. "Ich fand es unfassbar toll, dass da ein ganzes Haus außer Rand und Band war. Das war eine schöne, lustvolle Erfahrung!"

Oper mit Augenmaß und Leidenschaft

Streitbarer Intendant: Nikolaus Bachler vor dem Nationaltheater, lange Zeit "sein" Haus | Bildquelle: picture-alliance/dpa/Andreas Gebert Dabei sucht Bachler, so streitlustig er als Mensch auch sein mag, nie die Provokation um der Provokation willen. Bachler wusste immer sehr genau, bis wohin er zu weit gehen darf. Künstlerisch verband er geschickt Innovation mit Kulinarik. Szenisch schätzte Bachler gemäßigt moderne Deutungen. Sein Haus war kein avantgardistischer Hotspot. Hier wurde Oper mit Augenmaß und Leidenschaft gemacht. Bachler verstand sich darauf, das Publikum auch bei herausfordernden Stoffen bei der Stange zu halten.

Einen Schwerpunkt legte Bachler auf das italienische Repertoire des 19. Jahrhunderts. Eher stiefmütterlich behandelte er die Barockoper, die große Leidenschaft seines Vorgängers Peter Jonas. Aus dem 20. Jahrhundert gab es dagegen fantastische Produktionen – etwa Prokofjews "Feurigen Engel" oder Bernd Alois Zimmermanns "Soldaten". Hier bewies Bachler echten Mut, der immer wieder belohnt wurde – nicht zuletzt mit exzellenten Auslastungszahlen. "Dinge entdecken" und "Werke zusammenbringen, die wir interessant finden" so beschreibt Bachler die Säulen seiner Programmpolitik. Und weiter: "Wir sind vielleicht das einzige große Haus auf der Welt, das richtige Dramaturgie betreibt!" Zumindest zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten dürften dem widersprechen. Uraufführungen gehörten nicht zu Bachlers Ruhmesblättern.

Sinn für vielversprechende Talente

Bachlers wichtigstes Verdienst ist das durchgängig hohe musikalische Niveau. Mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros band er ein Opern-Traumpaar an sein Haus. Eine Nase für Talente hatte er ebenfalls: Bachler war es etwa, der die großartige Sopranistin Golda Schultz entdeckte. Geburtshelfer einer Weltkarriere war er außerdem für Kirill Petrenko. Schon in den Neunzigern, als Chef der Wiener Volksoper, verpflichtete Bachler den jungen Petrenko immer wieder – quasi von der Uni weg. 2013 holte er ihn dann nach München. Ein Volltreffer. Dass Bachlers Ära alles in allem als Glanzzeit verbucht werden wird, liegt an Kirill Petrenko, der die Bayerische Staatsoper zu musikalischen Höhenflügen inspirierte.

Still werden wird es nicht um Bachler, wenn er im Herbst weiterzieht. In Salzburg, wo die Osterfestspiele wegen der Pandemie auf Allerheiligen verlegt werden mussten, erwartet ihn eine Herkulesaufgabe. Bachler geht sie an, wie man ihn kennt: streitbar und leidenschaftlich.

Sendung: Leporello am 25. Juni 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK