Jede Generation sollte zu diesem Film einen eigenen Soundtrack schaffen: So wünschte es sich Regisseur Sergei Eisenstein für sein Stummfilm-Epos Panzerkreuzer Potemkin. Jetzt erweckt das Orchester Jakobsplatz die Originalpartitur für Salonorchester des deutschen Komponisten Edmund Meisel zum Leben, die 1926 für die deutsche Fassung entstand.
Zum zwanzigsten Jubiläum der gescheiterten russischen Revolution von 1905 feierte Panzerkreuzer Potemkin 1925 im Bolschoi Theater in Moskau seine Uraufführung. Das Auftragswerk war damals als Propagandafilm für Lenins Ideologie gedacht. Es schildert mit drastischen Bildern revolutionäre Mechanismen und ihre Folgen. Eisenstein brachte damit das sowjetische Kino mit einem Schlag weltweit ins Rampenlicht. Dirigent Daniel Grossmann, der mit seinem Orchester die Stummfilmaufführung in den Kammerspielen begleiten wird, hat sich intensiv mit Eisensteins Werk auseinander gesetzt. Nicht nur mit der musikalischen Ebene, sondern auch mit dem historischen Hintergrund.
Er sollte die Menschen gegen das Zarenreich aufwiegeln und für die Idee der Arbeiterbewegung und des Leninismus begeistern.
Die sozialistische Ideologie im Film spiegelt sich in Meisels musikalischer Untermalung klar wieder. Der Komponist ließ sich großflächig durch das marschartig Heldenhafte der kommunistischen Arbeiterlieder beeinflussen. Mit Pauken und Trompeten schuf er Polemik und intensive revolutionäre Aufbruchsstimmung.
„Bei der Begleitung eines Stummfilms gilt es, immer zu einhundert Prozent das Tempo zu halten“, sagt Dirigent Daniel Grossmann. „Im Panzerkreuzer gibt es eine Szene, in der ein Metzger immer wieder ein Beil auf das Fleisch schlägt. Auf jeden Schlag ist ein Paukenschlag. Wenn dieser Paukenschlag auch nur bisschen daneben ginge, dann würde es direkt jeder merken“.
Im Stummfilm ist die Musik die Sprache, die dem Film sonst fehlt.
Die brutale, drastische Bildsprache in Verbindung mit der Musik erschüttert Dirigent und Zuschauer zwar, doch Grossmann betrachtet es als seine Pflicht, „die Musik zu den Bildern sprechen zu lassen, diesen Menschen tatsächlich eine Stimme zu geben“ – und damit Gedanken und Emotionen der Charaktere im Stummfilm Leben einzuhauchen.
Szenen etwa, in denen Aufständler Offiziere über Bord werfen, wurden eliminiert. Nur dank des Einsatzes einflussreicher Intellektueller wie Lion Feuchtwanger durfte Panzerkreuzer Potemkin schließlich doch in Deutschland aufgeführt werden. Bis zu seinem endgültigen Verbot durch die Nationalsozialisten.
Mit seiner meisterhaften allegorischen Montage revolutionierte Eisenstein auch die bisherigen Dreh- und Schnittgewohnheiten der Filmindustrie. Trotz seiner propagandahaften Darstellung sozialistischer Ideologie bleibt er bis heute ein Meilenstein der Filmgeschichte.
Panzerkreuzer Potemkin läuft am 8. Dezember 2017 in der Reihe „Flimmerkammer“. Zusammen mit dem Orchester Jakobsplatz zeigen die Münchner Kammerspiele immer wieder bekannte Stummfilme mit Live-Darbietung der Originalmusik.
(Sendung: Leporello am 6. Dezember 2017, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK)