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Bayerische Theater schreiben offenen Brief an Söder "Wir brauchen Sonderkonditionen"

Die neue "dunkelrote" Warnstufe der Corona-Ampel hat in erster Linie drastische Folgen für die Kultur: Sollte der Inzidenzwert über 100 steigen, bedeutet es ein Verbot für alle Veranstaltungen über 50 Personen – und damit Existenzbedrohung für die bayerischen Kultureinrichtungen. Zehn bayerische Bühnen, darunter die Bayerische Staatsoper und die Theater in Nürnberg und Augsburg, wenden sich nun mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Söder.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Bayerische Staatsoper, das Gärtnerplatztheater, Staatstheater Augsburg und Nürnberg, das Residenztheater, die Münchner Kammerspiele, das Münchner Volkstheater, der Gasteig, die Theaterakademie und das Lustspielhaus – Intendanten und Stellvertreter dieser Häuser haben den offenen Brief an Markus Söder unterschrieben. Darin insistieren die Bühnen, auch bei einem hohen Inzidenzwert von 100 oder mehr den Spielbetrieb mit 200 beziehungsweise bei den drei "Pilotversuchen" in Bayern sogar bis zu 500 Zuschauern aufrecht erhalten zu dürfen. "Alles andere käme einem zweiten Lockdown gleich und bedeutet eine Existenzbedrohung für alle Bühnen in Bayern."

Hygienekonzepte sollen Infektionsgefahr minimieren

Philharmonie im Gasteig in München während der Corona-Zeit | Bildquelle: Hans Engels "Wir haben nachweislich greifende Hygienekonzepte für den laufenden Spielbetrieb für diese sehr besondere Situation", heißt es im Schreiben vom 23. Oktober. Für Theater- und Konzertbesucher bestehe keine Infektionsgefahr, da der Mindestabstand von 1,5 Meter und der Frischluftaustausch in allen Zuschauerräumen gewährleistet sei. Die Theater argumentieren weiter damit, dass es bisher keine nachweisliche Infektion durch einen Theaterbesuch gegeben habe. "Wir hoffen auf Ihre positive Rückmeldung und brauchen Sonderkonditionen für unsere besondere Kunst", so endet der Appel an Markus Söder.

Teilnehmer des Pilotprojekts Nürnberg: "am falschen Ort"

Die Nürnberger Symphoniker, die aktuell als Teilnehmer des Pilotprojektes in der Meistersingerhalle vor 500 Zuhörern spielen dürfen, zeigen sich auch besorgt über die politischen Entscheidungen aus der Landeshauptstadt. "Uns ist natürlich bewusst, dass im Ministerium in München eine Entscheidung immer anhand der Bewertung der aktuellen Zahlen und der Entwicklung getroffen werden muss," sagte Lucius A. Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker gegenüber BR-KLASSIK.

Großer Saal der Meistersingerhalle in Nürnberg | Bildquelle: picture-alliance/dpa Das Nürnberger Publikum habe aber gezeigt, dass es außerordentlich diszipliniert mit den Vorgaben umgehe. Um den Konzertbesuchern eine maximal mögliche Verlässlichkeit zu garantieren, verschicken die Nürnberger Symphoniker aktuell die Karten immer erst wenige Tage vor den tatsächlichen Auftritten. "Konzerte mit einem ganzen Symphonieorchester für nur 50 Besucher zu spielen, ergibt wegen der Verpflichtung, sparsam mit eingesetzten Steuergeldern umzugehen, keinen Sinn," sagte Lucius A. Hemmer weiter. "Die Atmosphäre in einem quasi leeren Saal würde bei den Ausübenden wie auch dem Publikum zudem den Eindruck hinterlassen, am falschen Ort zu sein."

Deutscher Bühnenverein: Entscheidung "kulturblind"

Auch dem Deutschen Bühnenverein gehen die neu beschlossenen Beschränkungen gewaltig gegen den Strich: In einer Mitteilung forderte der bayerische Landesverband die Staatsregierung ebenfalls auf, die 50 Personen-Regelungen zurückzunehmen. "Mit dieser Entscheidung wird in den betroffenen bayerischen Städten die monatelange Arbeit der Theater und Orchester für einen Spielbetrieb auf der Grundlage sicherer Hygienekonzepte massiv erschwert", hieß es darin.

Für den Deutschen Bühnenverein sei es nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet die Zuschauerräume in Theatern und Konzertsälen, die bisher kein nachweisbarer Ort der Infektion mit dem Coronavirus waren, jetzt wieder in den Fokus der weitergehenden Maßnahmen gelangen. Den Entschluss der Regierung bezeichnete der Sprecher der Intendantengruppe im Landesverband, Jens Neundorff von Enzberg, als "kulturblind".

Steigende Inzidenzwerte

Seit Donnerstag, 22. Oktober gibt es in Bayern einen weiteren Corona-Grenzwert, der zusätzliche Beschränkungen nach sich zieht: Ab einem Inzidenzwert von 100 (Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen) sind in einer Region keine Veranstaltungen mit über 50 Personen erlaubt.

In Augsburg ist die 100-er Marke bereits deutlich überschritten: der Inzidenzwert zum 23. Oktober betrug bereits 177,5, damit ist das Staatstheater Augsburg unmittelbar von den neuen Beschränkungen betroffen. Andere Theater-Städte wie Würzburg, München oder Nürnberg haben den Grenzwert von 100 noch nicht erreicht, sind aber nicht weit davon entfernt.

Update vom 25. Oktober: Inzwischen hat auch München den Grenzwert 100 überschritten, damit springt auch in der Landeshauptstadt die von Ministerpräsident Söder eingeführte Corona-Warnampel auf "dunkelrot".

Sendung: "Leporello" am 23. Oktober 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK