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Glosse: Hinhören ohne zuzuhören Zoff mit der Soforthilfe

Angeblich kann der bayerische Kunstminister Bernd Sibler ja hinhören ohne zuzuhören, so jedenfalls behaupten es Leute, die bei der Anhörung zu den bayerischen Künstlerhilfen dabei waren. Das dürfte ungefähr so schwierig sein wie hinzuschauen ohne zuzuschauen oder hinzulangen ohne zuzulangen. In diesem Fall ist der Unterschied ist ja klar: Beim ersteren rutscht ihnen die Hand aus, beim zweiten das Lachshäppchen. Aber was unterscheidet das Hinhören vom Zuhören?

Die Zugabe zum Anhören:

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Ganz einfach: Beim Hinhören geht Ihnen jede Menge durch den Kopf, beim Zuhören dagegen der Kopf durch jede Menge. Oder anders ausgedrückt: Es ist macht einen Unterschied, ob sich die Gedanken bewegen oder die Welt um sie herum. Beides sieht allerdings so aus, als ob es vorangeht, was die Sache mitunter verwirrend macht. Das erklärt auch, warum der der Kunstminister kürzlich behauptete, das neue Soforthilfeprogramm für die Kulturbranche sei ganz kurz vor der Antragsphase.

Wem gebührt der Vortritt?

Da ist das Programm zwar gefühlt schon seit Monaten, doch scheinbar haben sich der Antrag und die Phase so sehr zerstritten, dass sich beide bis heute nicht einigen können, wer von beiden zuerst durch die Tür geht. Bildungsbürger kennen das ja von Brünnhild und Kriemhild aus der Nibelungensage. Bis heute wissen wir nicht, wem damals eigentlich der Vortritt gebührte. Wir sollten das Kunstministerium also nicht unnötig unter Druck setzen: Bis sich Antrag und Phase versöhnt haben, können schon mal tausend Jahre vergehen. Und um den Vergleich mit der Nibelungensage fortzusetzen: Damals ging es ja nur gegen die Hunnen, heute gegen Steuerberater, und die kämpfen bekanntlich mit anderen Mitteln. Gut, dafür müssen all die notleidenden Künstler nicht die Donau hinabfahren, um an ihre Soforthilfen zu kommen, sondern nur die Karriere, und das auch noch ohne Halt in Passau – von den Kabarettisten vielleicht mal abgesehen.

Sofort ist relativ

Einer der vielen Betroffenen klagte in dieser Woche, er habe das Gefühl, mit jeder Stufe, die das Sofortprogramm in der Ministerialbürokratie hinauf wandere, werde alles immer komplizierter. Klar, das, was die Allgemeinheit unter "sofort" versteht, wird schon bei Einstein relativ, bei Kafka absurd und beim Ministerialdirigenten transzendent. Leute, die sich für Schwarze Löcher interessieren, sprechen ja auch gern vom "Ereignishorizont". Das ist die Grenze, bis zu der wir sinnvolle Aussagen machen können. Ob die Naturgesetze dahinter noch gelten, ist umstritten – kann durchaus sein, dass die Zeit dort stehen bleibt oder gar rückwärtsläuft. Was das für ein Sofortprogramm bedeutet, muss ich wohl kaum näher erläutern.

Wer also auf sein Geld wartet, muss damit rechnen, dass es ihm bereits vor der Geburt überwiesen wurde, obwohl er es jenseits von Bernd Sibler beantragt hat. Ist ja nicht nur in der Kulturbranche so, dass der Mensch und sein Geld sich an die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen halten. Dafür müssen Sie nicht Ernst Bloch lesen, es reicht der Kontoauszug.

Sendung: "Allegro" am 18. Dezember 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK