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Kommentar: Salzburg als Festival-Hotspot Die spinnen, die Salzburger!

Was die Salzburger Festspiele im kommenden Sommer vorhaben, klingt waghalsig: 168 Aufführungen an 46 Tagen, zwei Drittel der Plätze sollen besetzt werden. Soviel Optimismus würde auch München guttun, meint BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger.

Festspielhaus Salzburg – Symbolbild für die "Zugabe" | Bildquelle: picture-alliance/dpa | BR-KLASSIK

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Die spinnen, die Salzburger! Zwei Drittel der Plätze wollen sie auf alle Fälle besetzen, bei ihren Festspielen im Sommer 2021. Zwei Drittel!!?? Unter "normalen" Bedingungen macht diese Auslastung einem gestandenen Opernhaus wenig Ehre. In Pandemiezeiten geht die Zahl glatt als waghalsige "Überbuchung" durch. Die Salzburger Festspiele trauen sich. Schon zum zweiten Mal.

Sorgloses Gedränge im Opernfoyer – lang ist's her

Mein letzter Opernbesuch liegt jetzt elf Monate zurück. Ich weiß inzwischen gar nicht mehr, was man zu so einem Abend anzieht ... Es war Samstag, der 18. Januar 2020: im Teatro alla Scala in Mailand, Höhepunkt einer BR-KLASSIK-Hörerreise. Auf dem Programm stand "Roméo et Juliette" von Charles Gounod, mit Diana Damrau und Vittorio Grigolo in den Titelpartien. Jeder der 2030 Plätze war besetzt; auf der imposanten Bühne allerhand Platz für fechtende Montagues und Capulets. Das Eingangsfoyer und die verschachtelten Gänge zu den Garderoben kamen mir dagegen ein wenig eng vor.

Das Social Distancing hinterlässt Spuren

Michael Atzinger | Bildquelle: BR/Silke von Walkhoff BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger zuckt inzwischen schon zusammen, wenn sich im Fernsehen Menschen die Hand geben. | Bildquelle: BR/Silke von Walkhoff Was gäbe ich jetzt für ein bisschen sorgloses Gedränge! Für mich sind in den vergangenen Monaten die Konzertsäle und Opernhäusern auf Wohnzimmergröße geschrumpft. Streaming hieß das Zauberwort. Das war berührend und wichtig, und ich weiß jetzt, wie's bei Nils Mönkemeyer und Joyce DiDonato zuhause ausschaut (wenn sie aufgeräumt haben). Aber irgendwann war's dann auch wieder gut. Ein Dreivierteljahr "Social distancing" – immer noch zucke ich zusammen, wenn sich im Fernsehen die Menschen die Hand geben. Oder noch Schlimmeres, Näheres miteinander tun. "Setzt doch eure Masken auf!", möchte ich schreien.

Absperrbänder und verwaistes Buffet

Zweimal war ich in den vergangenen sechs Wochen im Münchner Herkulessaal. Beruflich. Also allein. Sehr allein. Ich könnte gar nicht sagen, was trauriger war. Beim ersten Mal wurde das 50-köpfige Publikum großzügig im Saal verteilt. Nach dem Konzert hat uns das Einlasspersonal alle persönlich verabschiedet. Kurze Zeit später, nach dem zweiten Lockdown, gab's ein Geisterkonzert mit der Bläser-Combo aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, als Live-Übertragung auf BR-KLASSIK. Nur für mich bin ich da die breite Marmortreppe hoch, am verwaisten Buffet und an den Absperrbändern vorbei bis zur Tür, die zum Aufnahmestudio führt. Ein bisschen fühlte ich mich wie Jack Nicholson im Filmschocker "Shining".

Erweitertes Schachbrett auch für München?

Ich möchte, dass das wieder anders wird! Und ich freue mich auf den Sommer. Auf Salzburg, den "Hotspot for festivals", wie es Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler bei der Presskonferenz euphorisch den wenigen realen und vielen virtuellen Presseleuten zugerufen hat. Die Stadt mit den besten Mozartkugeln und dem besten Hygienekonzept der Welt. 168 Aufführungen an 46 Tagen sind für den Festspielsommer 2021 geplant. Gleich nach Weihnachten fange ich an zu sparen ... Für ihr Sitzplatzkonzept hat die Festspielleitung der Salzachstadt übrigens ein neues Wort erfunden: "erweitertes Schachbrett". Davon hätte ich dann auch gern eines in München. Die spinnen, die Salzburger!

Sendung: "Allegro" am 11. Dezember 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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