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Premiere von "Jewels" - Bayerisches Staatsballett Tanzende Edelsteine

"Jewels" ist das erste abstrakte, abendfüllende klassische Ballett, also ein Ballett komplett ohne Handlung, aber mit klassischen Schritten und klassischer Musik. Der amerikanisch-russische Choreograf George Balanchine kreierte es 1967 für das New York City Ballet zu Musik von Fauré, Strawinsky und Tschaikowsky. Der Meister war sehr genau, und diese Penibilität mit seinen Stücken und seinen Kostümen hat ihn überlebt - Balanchine starb 1983. Nun wagt sich das Bayerische Staatsballett mit seiner ersten Premiere der neuen Spielzeit an diesen Dreiakter.

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Es funkelt auf der Bühne, wie im Schaufenster eines noblen Schmuckladens auf der Münchner Maximilianstrasse. Kein Wunder, dass es die Kostüme von Karinska aus "Jewels" ins Museum geschafft haben. Sie sind kunstfertig geschneidert, mit Unmengen an glitzernden Steinen bestickt und sollten damals, bei der Uraufführung, vor allem der Upperclass von Manhattan gefallen. Balanchines Compagnie trat zum ersten Mal im Lincoln Center in New York auf, 3.000 Plätze hat das Haus - da musste schon etwas mehr geboten werden, als hautenge Trikots und Strumpfhosen. Mit dem Ballett "Jewels" kreierte Balanchine ein Triptychon der Ballettgeschichte.

Französisches Ballett in Smaragd

Der erste Teil trägt den Titel "Emeralds", also Smaragde. Entsprechend ist die Bühne in grünen Batikstoff gehüllt, grün schillernde Girlanden baumeln an der Decke, wadenlange lindgrüne Tutus tragen die Ballerinas, smaragdgrüne Steine veredeln ihr Dekolleté. Wir sehen ein Konzentrat der typisch französischen Ballette: Tänzerinnen und Tänzer trippeln mit noblen Gesten, die Beine schweben bis zur Nasenspitze, Arme und Hände strecken sich scheinbar unendlich lang und ungemein grazil. Alle wirken entrückt, als wären sie Besucher eines fremden Planeten. Das i-Tüpfelchen steuern die wabernden Klänge von Gabriel Fauré bei.

Die Inszenierung in Bildern

Nein, eine Geschichte erzählt "Emeralds" nicht. Darum greift auch keine Einteilung in Gut und Böse, wie beispielsweise im französischen Ballettklassiker "Giselle". Anfänglich tut diese Wertfreiheit auch gut und bietet viel Raum über das perfekte Handwerk, besser gesagt, die präzise, gemeißelte Fußarbeit des Bayerischen Staatsballetts zu staunen. Immerhin wollte Balanchine in erster Linie als Kunst-Handwerker betrachtet werden, also als einer, der das Handwerk des klassischen Balletts beherrscht und anzuwenden weiß. Soweit passt dieser Blick. Trotzdem, eine halbstündige Verbeugung vor der französischen Balletttradition, wirkt dann mit all den vielen Knicksen und andächtigen Pirouetten doch etwas altmodisch.

Rubiner Broadway Glamour

Bildquelle: Wilfried Hösl Der zweite Teil beginnt mit einem Applaus des überraschten Publikums. Als sich nämlich der Vorhang öffnet, stehen die Ballerinenn einem Halbkreis, so selbstsicher und frivol wie Pin-up-Girls aus den 1950er Jahren. Sie stecken in knallengen roten Kostümen, die üppig mit blutroten Glitzersteinen dekoriert sind. Einen Fuß haben sie auf die Spitze gestellt, das andere Bein gestreckt, der Blick und das Lächeln strahlen Verführungskraft und Siegesgewissheit aus. Ganz schön viel Sex-Appeal nach dem lammfrommen ersten Teil des Abends! "Rubies" - also Rubine, heißt das Mittelstück aus "Jewels". Zur Musik von Igor Strawinsky mischt Balanchine Elemente des Jazzdance mit Schritten, wie sie typisch sind für eine Broadway-Revue. Große, weite, klassische Sprünge wechseln sich ab mit kraftvollen, flirrenden, zackigen Fußbewegungen, die an Stepptanz erinnern. Blickfang in "Rubies" ist die Ballerina Prisca Zeisel. Ungeniert kokettiert sie mit allen Männern des Corps de Ballet, katzenartig unnahbar ist ihr Charme. Die Österreicherin hat die Idealmaße einer Balanchine-Tänzerin: sie ist groß, überragt damit so manchen Partner und besteht gefühltermaßen zu 90 Prozent aus Bein.

Auch das Solo Paar Nancy Osbaldeston, ganz neu beim Staatsballett als Gastsolistin, und Osiel Gueno haben sichtbar Freude an den Hüftschwüngen, dem tngoartigen umeinander Herumscharwenzeln und dabei, die Synkopen, Hiebe und wirbelnden Läufe aus dem Orchestergraben umzusetzen. Begeisterter Applaus für diese knallrote Stippvisite in New York. Aber George Balanchine choreographierte "Jewels" schließlich für den amerikanischen Markt. Entsprechend folgt auf die Fleischlichkeit, die Lüsternheit im Mittelteil, ein würdevoll-moralischer Abschluss mit "Diamonds" zur 3. Symphonie von Tschaikowsky.

Russische Diamanten

Bildquelle: Wilfried Hösl Die unregelmäßig geformten blauen Seitenvorhänge erinnern an eine Waldorfschulbühne, kristallene Mobiles zittern an der Decke. Die Tänzerinnen tragen weiße, knielange Röcke aus Tüll, von den Oberteilen blitzt es wie aus einer Schatztruhe. Wir sind nun mitten in Russland, Balanchine bezieht sich im Finale auf DEN russischen Super-Choreographen Marius Petipa. Und so fallen das Corps de Ballet und das Solistenpaar von einer dekorativen Pose in die nächste, beugen sich mit dem Oberkörper weit zurück, vollführen spagatartige Dehnungen im Stehen und in der Luft. Keiner büxt aus, wenn in der großen Schlusspolonaise meisterhaft synchron 16 Paare plus eine aristokratisch anmutende Xenia Ryzhkova und ihr Partner Alexey Popov schön schreiten und sich umeinanderdrehen, als wären sie alle zu Gast im Sommerpalais der russischen Zarenfamilie. Viel Applaus gab es für diesen doch sehr traditionellen, dabei technisch makellosen Ballettabend. Ein choreographisches "Must-have" von George Balanchine, das nun auch das Bayerische Staatsballett im Repertoire hat.

"Jewels" - Bayerisches Staatsballett

Das Ballett "Jewels" läuft bis zum 4. Juli 2019 am Nationaltheater München.
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

Sendung: "Allegro" am 29. Oktober 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK