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Regisseur Kirill Serebrennikov Russische Behörden verhängen Hausarrest

Russische Behörden verhängten am 23. August Hausarrest gegen den Regisseur Kirill Serebrennikov und lösten damit eine Welle der Empörung in der internationale Kulturszene aus. Dem Theatermacher und Kreml-Kritiker wird vorgeworfen, staatliche Gelder von umgerechnet knapp einer Million Euro veruntreut zu haben. Serebrennikov wies dagegen alle Vorwürfe zurück und verlangte seine Freilassung.

Bildquelle: Stanislav Krasilnikov/TASS/dpa

Bereits im Mai dieses Jahres durchsuchten Ermittler das Gogol-Theater, dem Kirill Serebrennikov als Künstlerischer Leiter vorsteht, sowie die Wohnung des Regisseurs. Die Behörden gingen dem Verdacht nach, die von Serebrennikov gegründete Firma "Studio 7" habe zwischen 2010 und 2014 staatliche Gelder zweckentfremdet. Der Vorwurf: Die Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum", für die Serebrennikov öffentliche Fördergelder genutzt hatte, sei nie auf die Bühne gekommen. Der umstrittene Regisseur beteuerte hingegen, die Inszenierung sei 15 Mal in Moskau gespielt und dann als Gastspiel in Paris und Riga gezeigt worden.

Serebrennikov wurde im Vorfeld sein Pass entzogen

Am 9. August präsentierten die Ermittler in Moskau bei der Verhandlung über eine Haftbeschwerde des ehemaligen Generaldirektors von Serebrennikovs Firma neue Vorwürfe: Ex-Chefbuchhalterin Nina Masljajewa habe angegeben, "Studio 7" sei einzig aus dem Grund ins Leben gerufen worden, um Gelder zu veruntreuen. Serebrennikov galt nur als Zeuge im Prozess, gegenüber der Süddeutschen Zeitung hatte der international renommierte Theatermacher aber angegeben, dass er seinen Pass habe abgeben müssen und somit nicht reisen könne.

Aus für "Hänsel und Gretel" in Stuttgart?

Am 22. August ist Kirill Serebrennikov unter Betrugsverdacht in St. Petersburg festgenommen und zu weiteren Vernehmungen nach Moskau gebracht worden. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 2011 und 2014 staatliche Gelder in Höhe von 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) veruntreut zu haben. Am 23. August verhängte eine Moskauer Haftrichterin dann Hausarrest, weil bei Serebrennikov Fluchtgefahr bestünde - so argumentierten die Behördenvertreter und verwiesen dabei auf Serebrennikovs bevorstehendes Engagement in Stuttgart. Die Justiz stuft den Fall als besonders schweren Betrug ein. Darauf stehen im russischen Strafrecht hohe Geldstrafen oder bis zu zehn Jahre Haft.

Natürlich möchte ich, dass man mich freilässt. Ich bekenne mich nicht schuldig
Kirill Serebrennikov

Der Hausarrest bedeutet eine weitgehende Kontaktsperre: Serebrennikov darf kein Internet nutzen und keine Post verschicken. Der Hausaarest soll zunächst bis zum 19. Oktober gelten. Serebrennikovs für September geplante Inszenierung von "Hänsel und Gretel" in Stuttgart ist damit in Gefahr. Die Oper Stuttgart sieht in dem gegen Kirill Serebrennikov verhängten Hausarrest eine unverhältnismäßig strenge Maßnahme. Die Premiere seiner Inszenierung am 22. Oktober 2017 soll dennoch wie geplant stattfinden - das gab die Stuttgarter Oper am 23. August bekannt. Kirill Serebrennikov hätte wesentliche Teile des Inszenierungskonzeptes, das Bühnenbild und die Kostüme bereits fertig gestellt.

Proteste aus der russischen und internationalen Kulturszene

Serebrennikovs Unterstützer vor dem Gericht in Moskau | Bildquelle: Stanislav Krasilnikov/TASS/dpa Der russische Filmemacher Pawel Lungin und der frühere Finanzminister Alexej Kudrin riefen in den Sozialen Medien dazu auf, Serebrennikov nicht in Haft zu nehmen. "Die Festnahme eines Regisseurs schießt eindeutig über das Ziel hinaus", schrieb Kudrin auf Twitter. Warum werde Serebrennikov so brutal behandelt, fragte der Publizist Nikolai Swanidse. "Was ist er, ein Vergewaltiger, ein Serienkiller, eine Gefahr für die Gesellschaft?", sagte er gegenüber der Agentur Interfax. Zahlreiche russische Kulturschaffende erklärten sich bereit, für Serebrennikov zu bürgen, unter anderem die Witwe des Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn, Natalja Solschenizyna oder die Regisseure Fjodor Bondartschuk und Jewgeni Mironow. In einer Online-Petition forderten bislang 14.000 Menschen ein Ende des Verfahrens. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, zeigte sich besorgt.

Tabuthema Homosexualität

Serebrennikov steht seit Längerem in den Schlagzeilen. Bereits am 11. Juli hätte die Premiere seines Werk über den Tänzer Rudolf Nurejew am Bolschoi-Theater stattfinden sollen. Trotz einer erfolgreichen Generalprobe verkündete Generaldirektor Wladimir Urin kurzfristig die Absage der Premiere, da das Stück noch nicht fertig gewesen sei. Viele sahen darin eine fadenscheinige Begründung und vermuteten, dass wohl in der angeblichen "Homosexuellen-Propaganda" der wahre Grund für die Absetzung liegt. Im Ballett über Nurejew, der nach einem ausschweifenden und exzentrischen Leben mit nur 54 Jahren an Aids starb, sollte auch Seiten seines Lebens zeigen, die in Russland als anstößig gelten: seine Emigration in den Westen und seine Homosexualität.

Schon vor einigen Jahren geriet der Regisseur Kirill Serebrennikov mit den russischen Behörden in Konflikt, als er einen Film über den Komponisten Peter Tschaikowsky plante. Damals verlor er die staatliche Filmförderung, weil er die Homosexualität des Komponisten thematisieren wollte.

Sendung: Leporello am 22. August 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK