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Kritik – "The Snow Queen" an der Bayerischen Staatsoper Showdown auf dem Seziertisch

Seit Jahren beschäftigt sich der dänische Komponist Hans Abrahamsen mit dem Thema "Schnee", nun also seine erste Oper zu dem Thema: "The Snow Queen", nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen. Rund zehn Jahre hat Abrahamsen daran gearbeitet. Im Oktober wurde sie in Kopenhagen in dänischer Sprache uraufgeführt, jetzt kam die englische Fassung als deutsche Erstaufführung an die Bayerische Staatsoper – in der Regie von Andreas Kriegenburg.

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Wenn die Natur nicht mitspielt, muss es die Kunst eben richten: Schon vorab wird man auf Betriebstemperatur heruntergekühlt, in Form einer Lichtinstallation, die die Fassade des Nationaltheaters in Eis einfriert und sogar noch einstürzen lässt. Und so viel Schnee, wie über den ganzen Abend vom Schnürboden fällt und die Bühne mit knöchelhohem Puder bedeckt, hat München auch lange nicht gesehen. Von daher also eine Schneekönigin, die ihrem Namen alle Ehre macht.

Die Inszenierung in Bildern

Ausflug in die Pathologie

Bildquelle: © Wilfried Hösl Was sich Regisseur Andreas Kriegenburg dafür einfallen lässt, ist dann allerdings weniger ehrenhaft. Er verlegt die Handlung in eine schon ziemlich runtergekommene, vergilbt-gekachelte Klinik. Sobald sich die Pforten öffnen, ist alles aseptisch-weiß, getrennt durch weißlich-durchsichtige Plastikvorhänge, die die Bühne nach hinten hin in drei Kammern unterteilen.

Das ist an sich schon eher mau, ärgerlich wird es aber, weil die Idee mit dem ersten Takt verschossen ist und dann drei Akte lang stagniert. Hier wird nichts erzählt und entwickelt, stattdessen mit Schauspiel-Doubles eine Dramaturgie und Charakterzeichnung vorgetäuscht, die nicht existieren. Warum ist von vornherein alles klar? Warum spielt die Apotheose am Ende auch in der Klinik? Warum hier die Seele Kays einfriert und warum sie wieder auftaut – es bleibt ein Rätsel. Von Franz Kafka, der hier vielleicht sogar seinen Gefallen daran gefunden hätte, stammt ein Tagebucheintrag, der das Ganze gut zusammenfasst: "Schwaches Tempo, wenig Blut."

Maue Inszenierung, ehrliche Musik

Die Musik ist da schon viel packender und ehrlicher: Hans Abrahamsen schafft es oft, das Ungreifbare hörbar zu machen, bewegt sich mit einer irisierend-schillernden Klangsprache gerne auch im tonalen Bereich, mit Wiederholungen, Dreiklangsbrechungen und Überlagerungen bisweilen nah am Minimalismus. Das erzeugt über weite Strecken einen angenehm reibenden Teppich, auf dem man sich gerne forttragen lässt.

Barbara Hannigan singt und spielt leidenschaftlich-souverän, vom rhythmischen Sprechgesang bis zu hohen Anschwelltönen zeigt sie, was sie kann, wobei man durchaus Wilderes erwartet hätte dafür, dass Abrahamsen die Partie der Gerda ihr quasi in die Kehle geschrieben hat. Die Mezzosopranistin Rachel Wilson ist ihr als Kay sängerisch ebenbürtig, Peter Rose hat als Titelfigur leider wenig Raum, um vokal zu glänzen. Vom Graben aus sorgt Cornelius Meister bei seiner ersten Staatsopernpremiere glücklicherweise dafür, dass die hochkomplexe Partitur nie auseinanderdriftet, wobei es manchmal fast zu überkorrekt wirkt, die wenigen dramatischen Ausbrüche könnten ruhig mehr Drive vertragen. Schon allein als Gegengewicht zur Inszenierung.

"The Snow Queen" an der Bayerischen Staatsoper

Komponist: Hans Abrahamsen
Libretto: Hans Abrahamsen und Henrik Engelbrecht nach dem Märchen von Hans Christian Andersen
Regie: Andreas Kriegenburg
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Premiere: 21. Dezember 2019
Erstaufführung der Fassung in englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Informationen zu Terminen und Besetzung gibt es auf der Homepage der Staatsoper.

BR-KLASSIK überträgt die "The Snow Queen"-Vorstellung am 28. Dezember ab 19.30 Uhr live im Radio und im Videostream.

Sendung: "Allegro" am 23. Dezember 2019 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK