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Abgebrannte Moldauische Staatsphilharmonie Patricia Kopatchinskaja: "Eine nationale Tragödie"

Schweißarbeiten sollen den Großbrand verursacht haben: In der Nacht zum 25. September 2020 ist die Filarmonica Națională "Serghei Lunchevici" in der moldauischen Hauptstadt Chișinău abgebrannt. Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja hat diese Nachricht schockiert aufgenommen – denn sie wurde in Chișinău geboren und hat als Kind viele Vorstellungen in der Staatsphilharmonie miterlebt. Nun macht sie sich Gedanken, wie der Wiederaufbau funktionieren könnte.

Bildquelle: ©imago images / Volker Preußer

Als die Geigerin Patricia Kopatchinskaja im Internet die ersten Fotos und Videos der abgebrannten Moldauischen Staatsphilharmonie in Chișinău sah, war sie fassungslos. "Man sieht plötzlich Überreste eines Gebäudes, das einem doch so ans Herz gewachsen ist und hat plötzlich seine ganze Kindheit vor Augen. Das trifft einen schon sehr", erzählt sie im Gespräch mit BR-KLASSIK.

Ein Konzertsaal in Schutt und Asche

Ein Großbrand zerstörte in der Nacht zum 25. September die moldauische Staatsphilharmonie im Zentrum von Chișinău fast vollständig. "Unser Sitz, unser Konzertsaal, unsere Instrumente – alles in Schutt und Asche", schrieb der musikalische Leiter der Philharmonie Mihail Agafita auf Facebook. Schweißarbeiten gelten als mögliche Ursache für den Brand. Das meldete die österreiche Agentur APA unter Berufung auf das moldauische Staatsfernsehen.

Volksmusikalische Tradition

Patricia Kopatchinskaja saß als Kind regelmäßig im Zuschauerraum der Moldauischen Staatsphilharmonie. | Bildquelle: © Astrid Ackermann Patricia Kopatchinskaja hat einen besonderen Bezug zur moldauischen Staatsphilharmonie, die von 1940 bis 2020 Heimat das Sinfonieorchesters war. Ihre Eltern traten als Musiker in der Staatsphilharmonie auf. Sie selbst wurde in Chișinău geboren und verbrachte dort ihre frühe Kindheit. "Es gab viele Volksmusikensembles", erinnert sich Kopatchinskaja. "Ihre Konzerte in der Staatsphilharmonie waren wunderbar. Man sah diese Musiker und Tänzer in Trachten, es wurden Lieder gesungen und die traditionelle Kultur gepflegt. Ich war als Kind ganz fasziniert von diesem Saal."

Nun ist das Dach des großen Konzertsaals eingestürzt, wertvolles Notenmaterial moldauischer Komponisten ist verbrannt. Für Patricia Kopatchinska ist das zerstörte Archiv das Schlimmste: "Ein Gebäude kann man aufbauen, aber ein Archiv mit Manuskripten und Erinnerungen nicht. Ich bin so aufgebracht darüber, dass man nicht auf die Idee kam, diese Sachen einzuscannen. Aber wahrscheinlich hat man gar nicht so weit gedacht."

Es ist, als sei ein Großteil unser nationalen Biografie durch die Flammen zerstört worden.
Patricia Kopatchinskaja auf Facebook

Finanzielle Mittel sind knapp

Patricia Kopatchinskaja hofft sehr, dass das Gebäude wieder aufgebaut wird. Fraglich ist für sie allerdings, woher die finanziellen Mittel kommen sollen. "Man kann sich das gar nicht vorstellen, in welcher Armut die Kulturinstitutionen in all diesen Ländern funktionieren. Wir sind hier in Deutschland schon am Hadern, aber dort herrscht echt ein Elend."

Orchester wollte 80. Jubiläum feiern

Die Staatsphilharmonie der ehemaligen Sowjetrepublik zwischen Rumänien und der Ukraine wollte ursprünglich in diesem Herbst ihr 80-jähriges Bestehen groß feiern. Nun muss das Orchester in Ausweichquartieren unterkommen. Doch Mihail Agafita, Chefdirigent des Orchesters der moldauischen Staatsphilharmonie, gibt sich zuversichtlich: "Wir werden weitermachen, noch vereint und stärker, lebendiger denn je!!!", schreibt er auf Facebook.

Sendung: "Leporello" am 9. Oktober 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK