Wien, 17. August 1928. Bei einem Kompositionswettbewerb erhält Kurt Atterberg 10.000 Dollar. Es war ein weltweiter Wettbewerb, den sich die amerikanische "Columbia Gramophone Company" zu Werbezwecken hatte einfallen lassen. 1928 war Schuberts 100. Todesjahr, die Plattenfirma hatte sich als Aufgabe ausgedacht, die "Unvollendete" zu vollenden. Die Musikwelt war dagegen, ein "Akt des kommerziellen Vandalismus" sei das, und bei so viel Gegenwind ruderte die Firma zurück. Jetzt hat man nur noch "schöne symphonische Werke" erwartet, "gewidmet Schuberts Gedächtnis". Nichts Experimentelles halt.
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Die "Columbia"-Firma hat die gesamte bewohnte Erde in zehn Zonen aufgeteilt. In jeder Zone gab es eine Jury, die aus den eingesandten Werken jeweils drei prämieren sollte, und die Sieger aus jeder Zone, die kamen in die große Endausscheidung. Am 17. August 1928 war es dann soweit. Feierlich wurde in Wien das Preisgeld übergeben: 10.000 Dollar, die der Schwede Kurt Atterberg für seine 6. Symphonie bekam. Das war eine stattliche Summe, Atterberg hat sich davon gleich ein schickes Auto gekauft, und die Symphonie trägt seither den schönen Beinamen "Dollarsymphonie".
Nach der Uraufführung in Köln haben dann Fachleute angefangen, am letzten Satz der Symphonie herumzumäkeln. Es seien haufenweise Anklänge an Werke anderer Komponisten darin, ob Atterberg das ernst gemeint habe oder ob er die Musikwelt an der Nase herumführen wolle. Weil die Plattenfirma gedroht hat, ihm das Preisgeld wieder wegzunehmen, sah Atterberg sich gezwungen zu antworten. Die Fachleute würden alle fantasieren, sagte er, und Dinge in seiner Musik hören, die gar nicht drin seien. Ein Zitat allerdings sei wirklich drin, als Test für alle, die sich zum 100. Todestag von Schubert als so großartige Kenner und Liebhaber seiner Musik gegeben hätten. Und es sei schon seltsam, sagte Atterberg, daß ausgerechnet die Stelle, wo er wirklich zitiert habe, niemandem aufgefallen sei. Eine peinliche Sache.
Und so kam es, dass Kurt Atterberg seine 10.000 Dollar behalten durfte. Zurückgeben wäre aber sowieso nicht gegangen, hat er gesagt, das Auto sei ja schon gekauft. Und Fahrstunden habe er auch schon genommen.
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