Jazz mit Symphonieorchester – für den britischen Dirigenten Wayne Marshall ist das nichts Ungewöhnliches, er hat schon vielen Orchestern das Grooven beigebracht. Jetzt gibt er sein Debüt bei den Münchner Philharmonikern.
Wie beginnt ein Orchester zu Swingen – vor allem eines, dass sich hauptsächlich seinem klassisch-romantischem Kernrepertoire verpflichtet fühlt. Der britische Dirigent Wayne Marshall kommt für drei Konzerte nach München, um mit den Münchner Philharmonikern Jazz zu spielen. Zumindest den Jazz, der in die klassische Orchesterbesetzung hineinreicht. Etwa Darius Milhauds "Scaramouche" für Saxophon und Orchester, Bernsteins drei Tänze aus "On the Town" oder Eduard Künnekes "Tänzerische Suite" für Jazzband und großes Orchester op. 26.
"Ich hab mit vielen verschiedenen Orchestern gearbeitet", sagt Wayne Marshall im Interview mit BR-KLASSIK, "und am Ende der Woche grooven sie". Beim Übergang von klassischen Stücken zu solchen, die ein wenig Jazz atmen, seien für Marshall oft die Streicher das Problem: Sie spielen mit viel Bogen für schönen Klang. So viel Bogen brauche man aber für einen guten Groove nicht. Auch romantisches Schwelgen sei eher nicht angesagt: "Wer bei dieser Art von Musik spät spielt, ist einfach zu spät."
Wayne Marshall hat sich schon als kleines Kind für Klassik interessiert, aber eben auch für Jazz. Im Alter von acht Jahren hat ihn ein Klavierkonzert von Gershwin so sehr beeindruckt, dass er die Partitur habe lesen wollen, erzählt Wayne, obwohl er damals noch gar nicht richtig Noten lesen konnte. Geboren wurde der heute 61-Jährige in England, seine Eltern kamen ursprünglich aus Barbados. Zuletzt arbeitete er in England mit dem Chineke!-Orchester, in dem Musiker*innen aus ethnischen Minderheiten spielen.
Das Orchester versteht sich auch als ein Statement für Diversität in der doch sehr weiß geprägten Klassik-Szene. Wayne Marshall möchte sich aber nicht als Aktivist verstanden wissen. Er habe – trotz seiner Hautfarbe – kein Problem gehabt, zur klassischen Musik zu finden. Das habe auch an seiner Erziehung gelegen, so Marshall im BR-KLASSIK-Gespräch, er habe die Musik über sein Elternhaus kennengelernt. Genau da sieht Wayne einen wichtigen Faktor: Wer als Kind klassische Musik im Elternhaus hört und sogar darin gefördert wird, der könne auch Musiker werden.
Irgendwie habe ich zu diesem Genre einen unmittelbaren Zugang.
"Irgendwie habe ich zu diesem Genre einen unmittelbaren Zugang", betont Wayne, "wenn ich Bernstein oder Gershwin dirigiere, dann sind der Jazz oder auch die Rhythmik was ganz Natürliches für mich." An diesem perönlichen Zugang möchte Wayne die Orchester, mit denen er arbeitet, teilhaben lassen – schließlich ist Rhythmus zentral beim Jazz. "Es geht viel um das Timing. Während der Proben zähle ich viel, 1 2 1 2.", beschreibt Maryhall seine Arbeit mit klassischen Symphonieorchestern, denn alle sollen den Rhythmus auf die gleiche Weise spüren. "Am Anfang der Proben ist es manchmal ein Desaster. Aber wenn wir es am Ende schaffen, ist es aufregend."
Die Konzerte mit Wayne Marshall und den Münchner Philharmonikern finden am 3., 4. und 5. Februar in der Münchner Isarphilharmonie statt. Weiter Infos gibt es hier.
Sendung: "Allegro" am 2. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK