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Das Chineke!-Orchester Es geht um die Musik, nicht um die Hautfarbe

Mehr ethnische Vielfalt in der klassischen Musik! Das hat sich das von der Kontrabassitin Chi-chi Nwanoku gegründete Chineke!-Orchester auf die Fahnen geschrieben – und macht vor, wie es gehen kann: Das Symphonieorchester besteht zum größten Teil aus Schwarzen und Angehörigen ethnischer Minderheiten.

Musiker des Chineke! Orchesters. Ein Gruppenfoto aus dem Jahr 2016. | Bildquelle: Eric Richmond

Bildquelle: Eric Richmond

Chi-chi Nwanoku im Gespräch

Interview mit Chi-Chi Nwanoku von Chineke!

62 Musiker aus 31 Ländern sorgten beim Debüt-Konzert des Orchesters 2015 im Southbank Centre in London für Furore. Im Publikum saßen je zur Hälfte weiße und nicht-weiße Klassik-Fans. Zwei Jahre später wurde Chineke! zum BBC Proms Classical Music Festival eingeladen. "The Guardian" bezeichnete den Auftritt als "eines der wohl wichtigsten Konzerte, das die Proms je ausgerichtet haben."

Eine Schwarze Musikerin in einer Welt der Weißen

"Chineke" bedeutet in der nigerianischen Igbo-Sprache "Gott, der Schöpfer der Welt und des Guten". Nigerianische Wurzeln hat auch Chineke!-Gründerin Chi-chi Nwanoku. Südöstlich von London aufgewachsen, waren sie und ihre Geschwister die einzigen Kinder in der Nachbarschaft mit dunkler Hautfarbe. Auch in der Schule, im Studium und später als international anerkannte Kontrabassistin bewegte sie sich in einer Welt der Weißen. Mehr als dreißig Jahre lang nahm Chi-chi Nwanoku diesen Zustand als gegeben hin. Es ging ihr um Musik, nicht um die Hautfarbe.

Im 21. Jahrhundert muss es mehr als nur ein Schwarzes Gesicht auf einer Bühne geben, auf der Beethoven und Berlioz gespielt werden.
Chi-chi Nwanoku, Gründerin des Chineke!-Orchesters

Chi-chi Nwanoku, die Gründerin des Orchesters Chineke! | Bildquelle: Eric Richmond Chi-chi Nwanoku hat das Chineke!-Orchester vor fünf Jahren gegründet. | Bildquelle: Eric Richmond Dann kam das Jahr 2014. Der damalige britische Kulturminister Ed Vaizey untersuchte, warum es in Orchestern so wenige Schwarze Musiker gab. Er bat Chi-chi Nwanoku zu einem Treffen. "Ich wurde gefragt, warum ich eigentlich als einzige Schwarze regelmäßig auf internationalen Bühnen zu sehen war. Darauf hatte ich einfach keine Antwort", erzählt die Kontrabassistin im Interview mit BR-KLASSIK. Kurze Zeit später spielte das Kinshasa Symphony Orchestra aus dem Kongo in London. Vaizey lud Nwanoku zum Empfang vor dem Konzert ein. Außer der Musikerin waren nur Weiße anwesend. "Es war schon fast lächerlich. Als ich nach dem Konzert nach Hause ging, wurde mir klar, dass es im 21. Jahrhundert mehr als nur ein Schwarzes Gesicht auf einer Bühne geben müsse, auf der Beethoven oder Berlioz gespielt werden."

Das erste europäische Orchester mit Musikern dunkler Hautfarbe

Am nächsten Tag verkündete Chi-chi Nwanoku ihre Idee, eine Stiftung für ein ethnisch vielfältiges Orchester ins Leben zu rufen. Die Musiker und Musikerinnen sollten hervorragende Instrumentalisten und nicht weiß sein. Damit wollte Nwanoku Stereotype und Vorurteile ausräumen: dass Schwarze nur Hip-Hop und Jazz spielen könnten und nie an die Weltklasse der weißen klassischen Musik heranreichen würden. Nwanokus Plan scheint aufzugehen: "Die Einstellungen gegenüber People of Colour ändern sich", beobachtet sie. "Auch Musikerinnen hatten es am Anfang schwer. Als ich 1991 meinen Abschluss an der Royal Academy machte, gab es keine einzige Frau im London Symphony Orchestra. Heutzutage ist etwa die Hälfte des Orchesters weiblich."

Ich bin froh, dass jetzt so viele junge Menschen unterschiedlicher Herkunft protestieren.
Chi-chi Nwanoku

Demonstrationen nach dem Tod von George Floyd

Auch die derzeitigen Demonstrationen gegen Rassismus könnten dazu beitragen, ethnische Vielfalt im Kulturbetrieb zu verankern, hofft Nwanoku. "Ich bin froh, dass jetzt so viele junge Menschen unterschiedlichster Herkunft protestieren." Sie findet, es muss endlich Schluss sein mit der Diskriminierung von Minderheiten. Für People of Colour fordert sie: "Wir müssen genauso respektiert werden und die gleichen Chancen bekommen wie unsere weißen Schwestern und Brüder."

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BBC Proms: Chineke!: the best bits | Bildquelle: BBC Music (via YouTube)

BBC Proms: Chineke!: the best bits

Chancengleichheit für alle Musikstudenten

Gleiche Chancen für alle – das will die Chineke!-Stiftung mit ihrem Jugendorchester erreichen. 11- bis 22-jährige Musiktalente werden von Mentoren gleicher ethnischer Herkunft betreut und auf Wettbewerbe vorbereitet. Die Jugendlichen sollen sehen: Eine klassische Musikkarriere ist auch für Nicht-Weiße möglich. Allerdings können sich viele die Studiengebühren an den Londoner Musikhochschulen nicht leisten. "Die Stipendien werden meistens an Bewerber vergeben, die sowieso schon durch ihre Herkunft privilegiert sind. Das wollte ich ändern." Nwanoku hat deshalb gezielt Stipendien für bedürftige Jugendliche gefordert. Das Royal College of Music, die Royal Academy und das Trinity College of Music haben sich schon zur Vergabe eines solchen Bedürftigen-Stipendiums bereiterklärt.

Sendung: "Leporello" am 17. Juni 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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