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Was heute geschah – 26. März 1925 Pierre Boulez wird geboren

Montbrison, Loire, am 26. März 1925: Ein kleiner Ort in der Mitte Frankreichs, unweit von Lyon. Knapp 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner wohnen hier. Und jetzt einer mehr: ein Junge. Noch hat niemand eine Ahnung davon, welch ein Revoluzzer hier gerade das Licht der Welt erblickt hat. Doch das sollte nicht lange dauern.

Bildquelle: picture alliance / akg

Die Eltern: Marcelle Boulez, geboren Calabre, und Léon Boulez, ein Ingenieur, leben ein recht unauffälliges, normales Leben. Sie haben bereits eine Tochter, Jeanne. Sie ist nur drei Jahre älter als der kleine Pierre. Jeanne wird eines Tages hautnah dabei sein, wenn ihr Bruder die Musikwelt aufschreckt, wird ihm assistieren bei den Bayreuther Festspielen, wenn er Wagners "Ring" dirigiert – eine Produktion, die als "Jahrhundertring" in die Musikgeschichte eingehen wird. Aber das ist noch lange hin. Erst mal fügt sich der kleine Pierre dem strengen Regiment der örtlichen Jesuitenschule. Das bedeutet: Disziplin, Disziplin, Disziplin.

Rebellion, besonders wenn man jung ist, ist wirklich absolut notwendig
Pierre Boulez

Anfangsliebe – die Mathematik

Musik begeistert den jungen Pierre Boulez. Seit er sechs ist, spielt er Klavier. Er liebt französische Lyrik, vor allem die Gedichte von Baudelaire. Nach seiner Schulueit studiert er in Lyon. Aber nicht Musik und auch nicht Literatur. Stattdessen studiert er Mathematik und will später Ingenieur werden - der Vater will es so. In Lyon besucht er aber auch zum ersten Mal in seinem Leben eine Oper und ein Orchesterkonzert. Und er hört zum ersten Mal moderne Musik von Strawinsky und Schönberg. Und Klavierunterricht nimmt er auch. Das Klavier ist übrigens das einzige Instrument, bei dem Boulez später als Komponist nicht nachdenken muss, was spieltechnisch möglich ist und was nicht: "Ich habe Klavier gespielt, als ich jung war. Für das Klavier brauche ich überhaupt keine Meinung", konstatierte der Komponist. "Denn ich habe meine eigene Meinung.“

Aus Boulez' "Le marteau sans maître"

Eine Kultur, die nicht mit ihrer Tradition bricht, stirbt.
Pierre Boulez

Ein meinungsstarker Musiker

Eine eigene und vor allem eine öffentliche Meinung hat Pierre Boulez nicht nur zum Klavier. Auch zur Oper, die er am liebsten in die Luft sprengen will. Und zu den neuen technischen Möglichkeiten, die sich in den 60er-Jahren bieten: Dinge möglich machen. Neu denken. Zur Not: umstürzen. Oder neu erfinden! Ende der 60er-Jahre gründet Pierre Boulez in Paris das IRCAM, das berühmte Forschungsinstitut für Akustik und Musik. Bis heute ein Leuchtturm der zeitgenössischen Musikszene.

Immer wieder neu

"Eine Kultur, die nicht mit ihrer Tradition bricht, stirbt", hat Boulez mal gesagt. "Ich glaube, man muss die neue Technologie benutzen, um neue Klänge zu finden." Alles und alles immer wieder neu. Boulez, das ist ein Name, aber es ist auch eine konjugierte Form des französischen Verbs "bouler". Und das kommt in dem Ausdruck "envoyer quelqu'un bouler" vor – was so viel bedeutet wie: jemanden oder etwas rausschmeißen. Passt doch.

Pierre Boulez im Interview mit Emmanuel Pahud

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.