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Homestory - der Pianist Amadeus Wiesensee Ein Löwe und ein alter Flügel

Eine belebte Straße in Schwabing: Autos hupen, eine Tram fährt ratternd vorbei. Durch eine große Tür gelangt man in einen Innenhof und plötzlich: totale Stille. Das Rückgebäude ist ein hübsch sanierter Altbau und dort, direkt unter dem Dach, wohnt Amadeus Wiesensee. BR-KLASSIK hat den 24-jährigen Pianisten in seiner Wohnung getroffen und so einige Erinnerungsstücke dort entdeckt.

Der Pianist Amadeus Wiesensee | Bildquelle: Johanna Schlueter

Bildquelle: Johanna Schlueter

Amadeus Wiesensee im Porträt - hier zum anhören

Amadeus Wiesensee öffnet die Tür. Er trägt dunkle Jeans und einen Rollkragenpullover. Der Blick fällt direkt auf den Mittelpunkt des Raumes: ein 102 Jahre alter Steinway-Flügel. Den hütet Amadeus wie einen Augapfel: Im Winter lässt er in diesem Raum die Heizung aus. Dann lieber frieren – und der Flügel bleibt heil. Der Flügel wird umrahmt von Bücherregalen; an der Wand hängen Bilder von Beethoven und Bach, die Amadeus immer beim Üben zuschauen.

Beethoven, der mir immer über die Schulter schaut, wenn ich übe, ist für mich wie der Blick eines Großvaters, der das Beste für einen möchte.
Amadeus Wiesensee

Erste Versuche am Spielzeug-Klavier

Amadeus Wiesensee war mit zwölf Jahren bereits Jungstudent bei Prof. Karl-Heinz Kämmerling am Mozarteum in Salzburg. Im gleichen Alter gab er sein Debüt mit dem Münchner Rundfunkorchester. Als "Wunderkind" lässt sich Amadeus trotzdem nicht gerne bezeichnen: das Klavierspielen sei ihm nicht wirklich in die Wiege gelegt worden, denn seine Eltern sind keine Musiker. Angefangen hat alles mit einem kleinen Spielzeug-Klavier, das er von seiner Mutter geerbt hat: "Ich habe, bevor ich Klavier gespielt habe, zum Spaß immer damit gespielt. Im Nachhinein war das natürlich eine Art Vorbote. Mein erstes Klavier könnte man sagen."

Der Philosoph am Klavier

Neben Klavier studierte Amadeus auch bis 2015 Philosophie. Bis heute beeinflusst dies sein Klavierspiel. Zu viel Bedeutung dürfe man der Philosophie aber nicht einräumen, sagt er: "Wenn man zu sehr in eine durchintellektualisierte, verkopfte Richtung geht, dann hat es vielleicht mehr mit Musikwissenschaft zu tun und man möchte ja als Künstler auf der Bühne nicht belehren, sondern man möchte Dinge darbieten, die sich im Idealfall selber erschließen und wo jeder vielleicht auch seine eigenen Wahrheiten finden kann."

Ein bisschen Philosoph steckt aber trotzdem in Amadeus. Zum Beispiel, wenn er erklärt, was ihn an der Musik ganz besonders fasziniert: "Die Erfahrung mit einem 'Anderen'. Dass man irgendeiner Sache begegnet, die man als nicht von sich selbst kommend wahrnimmt. Die Medien, vor allem Instagram, Facebook und Snapchat, machen uns alle zu solchen Narzissten, dass wir nur noch in allem uns selbst suchen. Und das finde ich irgendwo schlichtweg langweilig auf Dauer. Ich möchte nicht immer nur mit mir zu tun haben."

Die Kraft kommt für mich aus der Ruhe und ich hoffe, dass aus dieser Ruhe dann trotzdem ein sehr weit gespanntes, vielfältiges Spektrum entsteht.
Amadeus Wiesensee

Wenn Amadeus Wiesensee Klavier spielt, wirkt er auch wie ein 'Anderer'. Es sieht so aus, als würde er sich dabei überhaupt nicht bewegen. Viele Pianisten machen große Gesten und Grimassen, er dagegen verzieht keine Miene. Völlig gelassen sitzt er am Klavier, ruht in sich.

Unermüdlicher Einsatz

Amadeus Wiesensee gibt viele Konzerte. Nebenher studiert er auch noch an der Münchner Musikhochschule bei Antti Siirala. Für andere Hobbys bleibt wenig Zeit. Er ist ein Frühaufsteher, beginnt mit dem Üben, wenn die Hochschule um 7:30 Uhr gerade ihre Türen geöffnet hat. Denn dann bekomme man für drei Stunden einen Raum, so Amadeus. Danach übt er zuhause weiter. An seinem Steinway ist er dann völlig alleine mit sich und seiner Musik.

Sendung: "Allegro" am 4.Oktober 2018 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Amadeus Wiesensee live erleben

Donnerstag, 4. Oktober 2018, 19:30 Uhr: Solo-Konzert im Steingräber-Haus Bayreuth
Samstag, 6. Oktober 2018, 21:00 Uhr: "Hope@9pm" im Konzerthaus Berlin

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