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Buch - "Liebwies" von Irene Diwiak Gnadenlose Demaskierung des Musikbetriebs

Eine Sängerin, die nicht singen kann, wird umjubelter Opernstar. Dafür bleibt eine geniale Komponistin unentdeckt. Dass künstlerischer Erfolg nicht immer eine Sache des Talents ist, sondern sich oft ganz anderer, sehr banaler Umstände verdankt, ist auch das große Thema von Irene Diwiaks Erstlingswerk "Liebwies".

Buch-Cover Irene Diwiak: "Liebwies" | Bildquelle: Deuticke Verlag

Bildquelle: Deuticke Verlag

Der Buchtipp zum Anhören

Die Geschichte spielt im Österreich der 1920er-Jahre. Sie beginnt tief in der Provinz, im entlegenen Dorf Liebwies. Dorthin hat es den Kriegsversehrten Gymnasiallehrer Walter Köck verschlagen. Er unterrichtet in der kleinen Volksschule und versucht, die Dorfbevölkerung dem Analphabetentum zu entreißen. Wirkliche Erfüllung findet der Schubert-Bewunderer Köck einzig im Musikunterricht, zumal er im 19-jährigen Bauernmädchen Karoline eine begnadete Sängerin entdeckt hat. Doch als er Karoline seinem ehemaligen Studienfreund, dem inzwischen bekannten Wiener Musikexperten Christoph Wagenrad, im Rahmen eines Konzertes präsentieren will, verguckt sich dieser in Karolins schöne Schwester Gisela. Die sieht seiner verstorbenen Frau, einer berühmten Pianistin, ähnlich. Giselas Stimme ist allerdings extrem dünn. Doch Wagenrad nimmt sie mit nach Wien und erzwingt beim Konservatoriums-Chef Elias Zwirbel durch Erpressung ihre Aufnahme an sein Institut.

Landpomeranze als Star

Das Schicksal nimmt seinen Lauf, die Landpomeranze Giesela ohne Talent und Fähigkeiten wird zum Star aufgebaut. Gockelhafte Männer projizieren ihre eigenen, unerfüllten Sehnsüchte auf sie. Sogar eine eigene Oper mit dem Titel "Die stumme Gräfin" wird für sie geschrieben. Da sie als Hauptdarstellerin so wenig wie möglich singen soll, bleibt ihr nur eine Arie vorbehalten, ansonsten soll sie mit ihrer Schönheit und großen Gesten beeindrucken.

Über die Autorin

Irene Diwiak wurde 1991 in Graz geboren. Aufgewachsen ist sie in Deutschlandsberg, einem kleinen, kulturumtriebigen Ort in der Steiermark, in dem Hans Werner Henze neben seinem berühmten Montepulciano-Festival ein weiteres "Jugendmusikfestival" mitbegründet hat. Schon als Zehnjährige gewann Irene Diwiak einen Literaturwettbewerb und hat seither Erzählungen und preisgekrönte Theaterstücke veröffentlicht. Derzeit studiert sie  Komparatistik in Wien.

Gefälschter Erfolg

Ironischerweise ist die ganze Komposition ein Schwindel, da der vorgebliche Komponist August Gussendorf, lediglich ein eitler und Wagner verehrender Dichter ist. Er rühmt sich seines musikalischen Genies, hat selbst jedoch noch nie in seinem Leben selbst etwas komponiert. Seine Frau Ida ist eine umso mehr begabte Komponistin. Das nutzt Gussendorff schamlos aus. Er stiehlt Idas Werk und gibt es als das seinige aus. "Die Stumme Gräfin" wird ein sensationeller Erfolg. Nach Gussendorffs Tod beginnen Ida und Gisela eine kurze intensive Beziehung. Doch zu stark, eigensinnig und klug ist die eine, zu einfältig und narzisstisch veranlagt die andere. Gisela sucht ihr Glück in der Ehe mit einem etablierten Arzt und die zunehmende Vereinnahmung der Gesellschaft durch die Nationalsozialisten durchmischt die Karten am Ende neu.

Subtile Ironie

Irene Diwiaks erstaunlich facettenreicher Erstlingsroman erzählt von Geltungssucht, Eitelkeit und falscher Gier nach Ruhm und Erfolg. Der Musikbetrieb der zwanziger Jahre, in dessen Hintergrund sich das Dritte Reich etabliert, bietet dazu eine ideale Kulisse. Mit subtiler Ironie entlarvt sie diese Gesellschaft als Welt von falschem Glanz. Es geht nicht nur um Selbstdarstellung und Eitelkeit, sondern zudem um Machtspiele in einer gesellschaftlichen Umbruchzeit. Auch damals spielten Fake News eine Rolle im gesellschaftlichen Machtkampf. So schreibt Irene Diwiak im Prolog und Epilog:"Es ist aber nun mal die seltsame Eigenschaft der Zeit, Geschehenes in schwammige Erinnerung und schließlich in Lügen zu verwandeln." Irene Diwiak erzählt in souveränem Stil und Tempo erfrischend und fantasievoll. Ein mitreißender Roman.

Infos zum Buch

Irene Diwiak
Liebwies
Roman
336 Seiten, gebunden
Preis: 22,00 Euro
erschienen im Deuticke Verlag, Wien

Sendung: "Allegro" am 07. Dezember 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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