BR-KLASSIK

2002 veröffentlichte der damals 26-jährige Medizinstudent Daniel Mason seinen Debüt-Roman "The Piano Turner". Ein Jahr später erschien das Buch in der deutschen Übersetzung unter dem Titel "Der Klavierstimmer Ihrer Majestät" im Goldmann-Verlag. Mason lehrt inzwischen Psychiatrie an der Stanford University und ist erfolgreicher Autor. Sein jüngster Roman "Der Wintersoldat" erschien 2019 im Münchner C.H. Beck-Verlag. Diese Zusammenarbeit nahm der Verlag zum Anlass, den seit Jahren vergriffenen "Klavierstimmer" in überarbeiteter Form neu aufzulegen.

Bildquelle: Verlag C.H.Beck, München

Der Buchtipp zum Anhören

Der ebenso tüchtige wie biedere Klavierstimmer und Spezialist für kostbare Erard-Flügel, Edgar Drake, hat bis zu seinem 41. Lebensjahr Großbritannien noch nie verlassen. Im November 1886 reist er im Auftrag der Englischen Krone nach Birma. Er soll den Erard-Flügel von Anthony Carroll, einem Militärarzt und Kommandeur dieses Vorpostens des Empires im Dschungel reparieren. Dort tobt der brutale britisch-birmanische Krieg. Dr. Carroll will die feindlichen Einheimischen nicht nur militärisch bekämpfen: Er hofft, sie statt mit Gewalt mit Musik, Poesie und ärztlicher Versorgung zu befrieden.

Erzählung in Briefen

Von der beschwerlichen, aber wegen des Kontakts mit fremden Kulturen und Menschen faszinierenden Reise berichtet Drake seiner Ehefrau Katherine in Briefen: "Ich denke an das, was Du mir in London gesagt hast: dass es eine so vornehme Aufgabe sei, dass es meine Pflicht meinem Land gegenüber sei. Aber das kann nicht sein: Ich habe mich als junger Mann nicht zum Militärdienst gemeldet, und ich interessiere mich auch kaum für unsere Außenpolitik. Du wurdest böse, als ich sagte, es sei meine Pflicht dem Klavier und nicht der Krone gegenüber, aber ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass Dr. Carroll das Richtige tut, und vielleicht ist es meine Pflicht, ihm um der Musik willen zu helfen."

Der Klavierstimmer als zurückhaltender Antiheld

Der Autor Daniel Mason | Bildquelle: picture-alliance/dpa Im ersten Teil seines Buches "Der Klavierstimmer Ihrer Majestät" erzählt Daniel Mason von Anreise Drakes nach Birma. Er nimmt uns durch seine bild- und farbenreichen Schilderungen mit auf eine faszinierende Reise aus dem tristen viktorianischen London, über die orientalische Welt Nordafrikas bis in die exotischen Gefilde Birmas. David Mason hat den Klavierstimmer als zurückhaltenden Antihelden angelegt, der zunehmend von der neuen exotischen Welt fasziniert ist: "Inzwischen glaube ich, dass es doch eine etwas heikle Sache ist, Musik und Kultur hierher zu bringen", reflektiert er. "Es gibt hier bereits Kunst und Musik, birmanische Kunst und birmanische Musik. Das heißt nicht, dass wir nicht unsere eigene Kunst nach Birma tragen sollten, aber vielleicht mit etwas mehr Bescheidenheit."

Der Glaube an die Musik

Der zweite Teil des Buches handelt von Edgar Drakes Aufenthalt in Birma und in Mae Lwin, wo Dr. Carroll ein Armeelager angelegt hat. Endlich kann der Klavierstimmer mit der Reparatur des Erard-Flügels beginnen. Er verliebt sich in das exotische Land und eine schöne Einheimische. Und er ist gefesselt von der charismatischen Persönlichkeit Dr. Carrolls, der sich zu sehr in Regierungsangelegenheiten eingemischt hat und Drake als Verbündeten sieht: "Ich wollte, dass der beste Erard-Klavierstimmer Londons meinen Flügel stimmt, und ich wusste, dass ich die Militärs damit zwingen konnte einzugestehen, wie abhängig sie von mir sind. Sie sollten sehen, dass meine Methoden funktionieren, dass Musik genauso Frieden schaffen kann wie Gewalt. Aber ich wusste auch, dass nur jemand, der wie ich an die Musik glaubt, diese lange Reise auf sich nehmen würde."

Der Versuch scheitert

Doch der Versuch mit der Kraft der Musik die Fürsten der ihn umgebenden Shan-Staaten für das Empire zu gewinnen, endet tragisch. Carroll scheitert, das Fort fällt und Drake, von seinen Landsleuten als Verräter betrachtet, kehrt nicht mehr nach England zurück.

Spannend und kraftvoll geschrieben

Daniel Masons gut recherchierter historischer Abenteuerroman lässt das Birma der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebendig werden. Er schreibt spannend, kraftvoll und beleuchtet die Problematik des Kolonialismus. Seine Schilderungen von Natur, Land und Leuten sind detailliert. Die Geschichte des Erard-Flügels wird ausführlich abgehandelt und natürlich spielen Probleme wie die der Reparatur und Stimmung eines Flügels eine wesentliche Rolle. Faszinierend sind die allgemeinen Gedanken über Musik als Ausdruck lokaler Kultur und als Botschafter der Mitmenschlichkeit über Grenzen hinweg.