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Buchtipp: "Als ich die Stille fand" von Franz Welser-Möst Plädoyer gegen den Lärm der Welt

In seinem Buch "Als ich die Stille fand" erzählt der österreichische Dirigent Franz Welser-Möst anlässlich seines 60. Geburtstags im Jahr 2020 von den vielen Aufs und Abs in seinem Leben. Er scheut keine sensiblen Innenansichten und hält ein überzeugendes Plädoyer "gegen den Lärm der Welt", an dem seiner Meinung nach auch der Klassikbetrieb einen guten Anteil hat. Eine ideale Sommerlektüre für alle, die Tiefgang schätzen.

Buchcover zu "Als ich die Stille fand - Ein Plädoyer gegen den Lärm in der Welt" von Franz Welser-Möst | Bildquelle: Brandstätter Verlag

Bildquelle: Brandstätter Verlag

Der Buchtipp zum Anhören

Franz Welser-Möst liebt das Wandern. In der Natur ist er auf der Suche nach Stille. Am liebsten geht er frühmorgens los, wenn es noch dunkel ist und die Wanderschritte auf den steilen Bergpfaden knirschen: "Der Naturklang nimmt schlagartig zu, wenn sich am Himmel die Streifen der Morgenröte abzeichnen, wenn das Schwarz zur Farbe und der Mond von der aufgehenden Sonne verdrängt wird"

Wenn die Vögel erwachen und der Himmel seine Endlosigkeit offenbart – wenn ein neuer Tag entsteht. Das ist auch Musik für mich.
Franz Welser-Möst, Dirigent

Wanderungen durch eine Dirigentenkarriere

Auf den rund 190 Seiten seines Buches wandert Welser-Möst viel durch die Natur. Auf vier Wanderungen durch verschiedene "Landschaften der Stille" nimmt er die Leserschaft mit. Er macht Halt an den großen Menschheitsstationen: Meditation, Natur, Geist und Ewigkeit. Und da offenbart der zurückhaltend wirkende Künstler mit beeindruckender Offenheit und philosophischer Weitsicht seine Seelenzustände. Allein für diese intermezzoartigen inneren Monologe lohnt sich das Innehalten, um anhand dieses Plädoyers gegen den Lärm der Welt über alles nachzusinnen, was unser Leben so laut und damit oberflächlich und sinnentleert macht.

Warnung vor dem Klassik-Business

Laut, oberflächlich, sinnentleert - das ist in Welser-Mösts Realität auch der Klassikbetrieb, der dem Dirigenten, aufgewachsen in der oberösterreichischen Idylle, mittlerweile viel zu schrill ist. Aufs Korn genommen werden schnelle Events und aufgepuschte Karrieren. Der ehemalige Chefdirigent der Wiener Philharmoniker warnt vor dem Verheizen junger Talente und der überhitzten Maschinerie des Musikmarkts. Ziel seines Buchs ist für ihn auch, Wegweiser und Mutmacher für die nächsten Generationen von Musikern zu sein. Welser-Möst appeliert an sie, sich nicht von Erfolg blenden oder korrumpieren zu lassen, und zu verstehen, dass auch "ein nach außen hin erfolgreiches Leben aus vielen Höhen und Tiefen besteht, aus Kurven, bei denen man nicht weiß, was hinter der Biegung auf einen wartet."

Stromlinienförmige Karrieren waren mir schon immer suspekt.
Franz Welser-Möst, Dirigent

Kurz und bündig

Dieses Buch wird lieben, wer …
....sich kritisch mit dem klassischen Musikmarkt beschäftigen möchte und Tiefgang schätzt.

Dieses Buch liest man am besten, wenn....
... man Zeit und Muße hat, den Gedanken Raum zu geben. Ideale Sommerlektüre auf dem Balkon, auf der Berghütte oder der Picknickdecke.

Dieses Buch ist wie geschaffen für...
...
klassikinteressierte Menschen, die über das Leben, Grundsätzliches und über das vielseitige Wirken des Dirigenten Franz Welser-Möst Essentielles erfahren möchten.

Auf und Abs des Lebens

Wieviele Aufs und Abs es gerade in seiner Biographie gegeben hat und wie er an Krisen gewachsen ist, auch darüber erzählt Welser-Möst frank und frei und befreiend unsentimental. Warum die Musik von Schubert nach einem tragischen Unfall zur ewigen Melodie seines Lebens wurde. Wie er mit 34 Jahren in einem künstlerischen Fiasko das London Philharmonic Orchestra um der Selbstachtung willen verlassen hat, dann das Dirigieren komplett an den Nagel hängen wollte, doch dann bei einem langen Strandspaziergang im südenglischen Bournemouth wieder zur inneren Ruhe fand. Wie er, der "Loser von London" von Intendant Alexander Pereira ans Züricher Opernhaus geholt wurde und das Orchester in die erste Liga führte und wie der 54-Jährige tatsächlich als Österreicher seinen Traumjob aufgab: die Stelle als Generalmusikdirektor an der Wiener Staatsoper. Wieder war eine Schmerzgrenze überschritten und von Intendant Dominique Meyer nicht respektiert worden.

Es war ein zermürbender Prozeß, der schließlich zu meinem Verzicht führte, da meine Träume, Ideen, Ziele und Visionen im Alltag zerrieben wurden.
Franz Welser-Möst, Dirigent

Musik als Vision für den sozialen Hotspot

Die Träume, Ideen und Visionen sind es, von denen Welser-Möst auch als langjähriger Chefdirigent des Cleveland Orchestras mit Stolz und Umsicht berichtet und die er auf lange Sicht gerade im sozialen Hotspot Cleveland realisieren möchte. Ein Bein im Herzen von Europa, das andere in den USA. Das hat seinen Blick geschärft, in die eine, wie in die andere Richtung. Und der damals 60-jährige Dirigent schwärmt von großen Zielen. Von Musik als Menschenrecht, von einer umfassenden musikalischen Bildung für jedes Kind, von einer Welt, in der die Stille wieder mehr Raum findet.

Musiker wissen, dass jeder Klang aus der Stille kommt und in die Stille mündet
Franz Welser-Möst, Dirigent

Einfühlsame Antilärmlektüre

Welser-Mösts Antilärmlektüre, einfühlsam und pointiert notiert von Journalist Axel Brüggemann, ist ein erfüllendes und auch ein mutiges Buch, das aufhorchen lässt, in dem Ohr und Herz einiges zu tun bekommen und das den Hunger nach Tiefgang stillt.

Weitere Infos:

Franz Welser-Möst:
Als ich die Stille fand - Ein Plädoyer gegen den Lärm der Welt
notiert von Axel Brüggemann
Brandstätter Verlag
129 Seiten
Preis: Hardcover 22,00 €; E-Book 17,99 €

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