BR-KLASSIK

Inhalt

"Bach - Musik für die Himmelsburg" John Eliot Gardiners Bach-Biografie

In der Wohnung seiner Eltern hing ein Bild Johann Sebastian Bachs als Thomaskantor, dessen strenger Blick ihm auf dem Weg ins Kinderzimmer jedes Mal Furcht einflößte. Doch bald verwandelte sich die Angst in Bewunderung und Begeisterung für diesen Herrn, und seit vielen Jahren ist der Engländer John Eliot Gardiner einer der bedeutendsten Bach-Dirigenten unserer Zeit. Nun liegt die Summe von Gardiners theoretischer und praktischer Beschäftigung mit Person und Werk Johann Sebastian Bachs als Buch vor.

Buchcover: John Eliot Gardiner: "Bach - Musik für die Himmelsburg" | Bildquelle: Carl Hanser Verlag, München

Bildquelle: Carl Hanser Verlag, München

Der Buchtipp zum Nachhören!

In seinem umfangreichen, mehr als 700 Seiten umfassenden Bach-Porträt referiert John Eliot Gardiner nicht nur Fakten, sondern präsentiert auch - wie es bei einem Interpreten seines Formats kaum anders denkbar wäre - durchaus individuelle Sichtweisen auf die Musik des Komponisten. So hält der Dirigent Johann Sebastian Bachs Passionen und viele seiner Kantaten für genuines Musiktheater, obgleich Bach keine Opern im eigentlichen Sinn komponiert hat: "Die unglaubliche Dramatik, die in dieser Musik konzentriert ist, und die gewaltige Vorstellungskraft, die sich in ihr Bahn bricht, macht Bachs Passionen großen Bühnendramen ebenbürtig."

Luther und Bach als Geistesverwandte

Gardiner verdeutlicht in seinem Buch, wie schier unendlich und immer wieder neu Bachs Erfindungsgeist in der musikalischen Ausdeutung und Veranschaulichung religiöser Texte war. Die große Expressivität von Bachs Kirchenmusik führt Gardiner nicht zuletzt auf den Einfluss Luthers zurück, der der Musik die Aufgabe zusprach, biblischen Texten zusätzlich Eindrücklichkeit zu verleihen.

Luther habe für Bach und sein Selbstverständnis als Musiker deshalb eine zentrale Rolle gespielt - ja, Gardiner erkennt sogar charakterliche Ähnlichkeiten zwischen beiden Persönlichkeiten: "Die aufbrausende Art, die Luther den Mut gab mit Rom zu brechen und eine neue Vision vom Christentum zu entwickeln, lebt im Werk Bachs wieder auf", sagt er. "Sie wird uns später in der sturen Entschlossenheit wiederbegegnen, mit der er sich sein ganzes Berufsleben lang gegen Widerstände durchgesetzt und gegen Kritik behauptet hat."

Bach - aufmüpfig und wenig pflegeleicht

Sir John Eliot Gardiner, Präsident des Bach-Archivs Leipzig | Bildquelle: Bach-Archiv Leipzig Sheila Rock, Decca John Eliot Gardiner | Bildquelle: Bach-Archiv Leipzig Sheila Rock, Decca Sich ein authentisches Bild von Bach zu machen, ist schwer - auch für einen Kenner wie Gardiner. Außer offiziellen Briefen an seine Arbeitgeber gibt es kaum Korrespondenz, die Rückschlüsse auf Bachs Persönlichkeit zuließe. Allerdings zeige sich Bach in seinen Briefen an seine Dienstherren durchaus aufmüpfig und wenig pflegeleicht: für Gardiner ein Beleg für die Unabhängigkeit und Freiheit im Denken Bachs. Der Dirigent, der von früher Kindheit an mit Bachs Musik vertraut ist, erkennt diese Unabhängigkeit auch in den Werken Bachs, die eigentlich nie den Konventionen entsprechen, sondern immer von großer Freiheit und Unabhängigkeit geprägt sind.

Existenzielle Tiefe und positive Energie

Gardiner glaubt, dass die existenzielle Tiefe, die sich in Bachs Musik - vor allem in seinen geistlichen Werken - ausdrückt, auch mit dem frühen Verlust seiner Eltern zu hat. Auf der anderen Seite habe Bachs Musik aber auch enorm viel positive Energie - wenn man sie denn entsprechend aufführe und nicht nur bedeutungsschwer und bräsig. Wobei Gardiner trotz des Lobs der Historischen Aufführungspraxis auch zugibt, dass es die eine richtige Art Bach zu spielen nicht gibt.

Spannende Analysen

Spannend in Gardiners umfangreicher Bach-Biographie, die vor allem eine kundige und ausführliche Werkbetrachtung bietet und sich eher an den Fortgeschrittenen als an den Bach-Neuling wendet, sind die Analysen der großen Chorwerke durch die Brille dieses großen Bach-Interpreten. Dadurch erschließen sich dem Leser durchaus neue Hör-Räume, und er findet Erklärungen für die Faszinationskraft von Bachs Musik, der der Hörer nicht selten einfach nur sprachlos staunend gegenüber steht.

"Bach - Musik für die Himmelsburg"

von John Eliot Gardiner
Aus dem Englischen von Richard Barth
752 Seiten, mit farbigen Bildteilen, Schwarzweiß-Abbildungen und einer Karte
Gebunden
Preis: € 34,00
erschienen im Carl Hanser Verlag, München

                  

    AV-Player