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Buch - "Kunststücke" Eine Autobiographie des Sängers Rolando Villazón

Manche haben schon sein Karriereende kommen sehen. Aber der Sänger Rolando Villazón ist wieder da. Seine zwischenzeitlichen Probleme mit Stimme und Leben hat der Mexikaner jetzt zu einem Buch verarbeitet.

Rolando Villazon | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Es geht um den einen und den anderen, um die Parallelwelten zweier Clowns. Da ist Marcolieta, der in einem düsteren, chaotischen Zimmer haust und es nicht einmal schafft, seine geliebte Sonnenblume am Leben zu erhalten, Marcolieta, der als Clown bei Kindergeburtstagen auftritt, jeden Abend beim Schachspielen verliert – und sich nicht traut, seiner großen Liebe Sandrine seine Gefühle zu gestehen. Marcolieta, der in ein blaues Buch schreibt, von seinem Alter Ego, dem anderen, von Balancín, dem erfolgreichen, weltberühmten Jongleur-Clown, der mit seiner geliebten Verlaine eine Familie gründet, Workshops und Interviews gibt. Besser gesagt schreibt Marcolieta an Balancín – in der Du-Form.

Wozu der Ruhm?, fragst du dich auf der Suche nach einer Antwort, die über schlichte Eitelkeit hinausgeht. 'Mit dem Ruhm erlangt man künstlerische Freiheit', beruhigst du dein Gewissen. Belügst du dich? Wie viel Ruhm braucht man, um diese Art von Freiheit zu erreichen? Verglichen mit dem eines Hollywoodstars ist dein Ruhm ein Krümel. Und was noch wichtiger ist: Welchen Preis hat der Ruhm?
aus Kunststücke von Rolando Villazón

Der Ruhm und seine Bedeutung für den Künstler: Sehnsucht und Fluch. Wer könnte darüber wohl besser schreiben als ein hochbejubelter Star wie Rolando Villazón. Und so hat man beim Lesen auch immer ihn im Kopf. Wenn Balancín seine Show vor Rückenschmerzen kaum bewältigen kann, bei jedem zur bunten Jonglage hochgeworfenen Ball innerlich zusammenzuckt, fragt man sich unweigerlich: Hat Villazón das selbst erlebt? Sang er Arien unter solchen Qualen? Dass Rolando Villazón sich aufgrund gesundheitlicher Probleme immer wieder aus der Öffentlichkeit zurückziehen musste, ist bekannt. Dass er unter hohem Erwartungsdruck stand, auch. So wie Balancín, der fiktive Clown.

Am Ende der Vorstellung wartet eine Schlange von hundertfünfzig Menschen mit leuchtenden Gesichtern auf dich. Sie wollen ein Autogramm, ein Foto, einen Händedruck, ein paar Worte; eine Dame aus Finnland zieht eine Schere hervor und bittet dich um eine Haarlocke. Du gibst ihnen, worum sie dich bitten, machst einen Witz und bekommst ihre Geschenke, ihre Küsse, ihre Umarmungen, und das macht dich glücklich.
aus Kunststücke von Rolando Villazón

Eines gelingt Rolando Villazón in seinem literarischen Debut vortrefflich: Die Szenen und Figuren seiner Geschichte werden vor dem inneren Auge plastisch. Aber nicht in einem real-abbilden Sinn, sondern in aller dem Clown-Sujet gebührenden Schrägheit und Komik. Menschen, Tiere und Gegenstände werden gleichermaßen lebendig – Villazón malt mit dickem Pinsel und kräftigen Farben, bedient alle Sinne, zieht den Leser durch die Schilderung von Geräuschen und Klängen, Gerüchen und Gefühlen direkt in die Welt seiner Clowns hinein.

Roman mit angenehmer Tiefe

Und eine Clown-Welt ist nie nur bunt, oder zumindest nur vordergründig. So bindet Villazón auch Philosophisch-Nachdenkliches mit ein, lässt Marcolietas Freund, den Bücherwurm Claudio, Kant, Boethius oder Sokrates zitieren. Das gibt dem Roman eine angenehme Tiefe – und rettet ihn teilweise sprachlich, denn Villazón weiß zwar detailreich und intensiv zu schildern, rutscht dann aber doch hin und wieder ins Schwülstige ab – vor allem, wenn es um die Liebe geht: "Du stammelst Worte der Liebe und des Begehrens, die den Rhythmus deines Herzschlags tragen und ihre Seele erfüllen; sie wandelt sie um in Stöhnen, in Schreie, in ein tiefer Knurren, bis eure ineinander verschlungenen Zungen die Worte zu formen nicht mehr imstande sind und sich ganz dem wahnsinnigen Tanz in euren Mündern hingeben."

Rolando Villazón: "Kunststücke" – ein Roman, in den man vielleicht nicht gleich hineinfindet, dessen bunt-schräge Welt einen aber irgendwann nicht mehr loslässt. Eine Autobiographie mit Clownsmaske, lesenswert und zum Nachdenken anregend; nicht nur für Fans.

Buch-Info:

Rollando Villazón
"Kunststücke"
Rowolth-Verlag, 272 Seiten. € 19,95

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