Das war der Anfang - auf Schallplatte zumindest: Am 26. Februar 1917 spielte die Original Dixieland Jazz Band in New York einige Stücke ein. Fachbücher verzeichnen dies als die erste veröffentlichte Jazz-Aufnahme der Musikgeschichte. Das ist nun einhundert Jahre her. Und deshalb heißt ein soeben erschienenes Buch zum Werdegang jener aufregend vielseitigen Musik, die man noch immer mit dem selben alten Vierbuchstabenwort bezeichnet: "100 Jahre Jazz".
Bildquelle: Delius Klasing Verlag
Der Buchtipp zum Anhören
Eigentlich ist der Jazz schon fast zwanzig Jahre älter, mit Anfängen um 1900 in New Orleans, was auf den Innenseiten auch klargestellt wird. Autor ist der Franzose Philippe Margotin, der auch Bücher über Amy Winehouse und The Who sowie als Co-Autor vielbeachtete Nachschlagewerke über Bob Dylan und auch die Beatles geschrieben hat.
Und das ist bei diesem Buch die Spanne: Bis zum schwedischen Pianisten Esbjörn Svensson, der zwischen 1998 und 2008 für neue Jazz-Impulse gesorgt hat, reichen die insgesamt 63 Porträts, die dieses Buch gliedern. "Von der Klassik bis zur Moderne: Die größten Stars" heißt es im Untertitel. Musikgeschichte hauptsächlich als Personengeschichte - in Porträts von zumeist sechs großformatigen Seiten mit aufregenden Fotos und vielen schlagwortartigen Zwischenüberschriften.
Das erste Porträt gilt selbstverständlich Louis Armstrong, der Leitfigur des frühen Jazz. Zum ihm liefert dieses Buch eine weitere Version des oft diskutierten Geburtsjahrs: statt 1900 bzw. 1901 nun 1898. Und zupackend wird am Ende des Porträts der musikalische Stil analysiert: "Seine Kunst der Paraphrase, die darin besteht, sich frei auszudrücken und doch eng an der Melodie zu bleiben". Das gehörte zu Armstrongs "Signatur", wie es hier heißt. Und jedes Porträt endet griffig mit dem Versuch, die jeweilige Signatur in Sprache zu fassen.
Miles Davis | Bildquelle: Rue des Archives/RDA/Süddeutsche Zeitung Photo Mehr Platz bekommt Miles Davis. Der Meister der Pausen, der wohlgesetzten wenigen Töne. Und Vollender mehrerer moderner Stile. "Ein Jazzstar" heißt das Kapitel über ihn schlicht und geht dann konkreter in die Details über das magisch zurückgenommene Spiel dieser modernen Ikone. Ein Buch zum Blättern und Entdecken, eines für den raschen Überblick. Denn es bringt Vieles schnell auf eine Formel. So firmiert Tommy Dorsey als "talentierter Despot", Benny Goodman als "Symbol des amerikanischen Traums". Thelonious Monk ist der "Hohe Priester des Jazz der Avantgarde", John Coltrane gar der "Botschafter Gottes".
Das sind pointiert formulierte Zeilen, mit allen Vor- und Nachteilen. Ideal für Einsteiger, die hier lesend erfahren können, was für spannende Persönlichkeiten der Jazz zu bieten hat. Einige sehr große Figuren, vor allem die des frei improvisierten Jazz - wie etwa Ornette Coleman und Cecil Taylor - fehlen. Auch eine so bedeutende Gestalt wie der Deutsche Albert Mangelsdorff hätte hineingehört. Und bei der Übersetzung kann man sich an Begriffen wie "Middle Jazz" stören: So sagt man in Frankreich - und vermutlich nur dort - zum sogenannten "Mainstream Jazz". Aber sonst: Ein Buch mit prägnanter Signatur, ein gutes Gerüst für weitere Entdeckungsreisen.
Von der Klassik bis zur Moderne: Die größten Stars
von Philippe Margotin
424 Seiten, mit 195 schwarz-weißen Fotos
Gebunden
Preis: € 59,90
erschienen im Delius Klasing Verlag, Bielefeld