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Buchtipp – "Goldjunge" von Mikaël Ross Beethovens Jugendjahre als Graphic Novel

2020 ist Beethoven-Jahr: Wir feiern den 250. Geburtstag eines der größten Komponisten der Musikgeschichte. Doch es ist wenig bekannt darüber, wie Ludwig van Beethoven zu einer Berühmtheit werden konnte – und vor allem, wie er als Mensch war. Der Comic-Künstler Mikaël Ross hat versucht, die Kindheits- und Jugendjahre von Beethoven in seiner Graphic Novel "Goldjunge" darzustellen. Eine Graphic Novel ist eine Mischung aus Comic und Roman. Darin will Mikaël Ross zeigen: Der große Musiker hatte auch eine ganz menschliche und nahbare Seite.

Buchcover: Mikael Ross – "Goldjunge" (Graphic Novel) | Bildquelle: avant-Verlag

Bildquelle: avant-Verlag

Der Buchtipp zum Anhören

Mitten in der Nacht im Jahr 1778 rumpelt es im Haus der Beethovens. Johann van Beethoven hat seinen siebenjährigen Sohn Ludwig aus dem Bett gezerrt: Er soll seinem Gast etwas auf dem Klavier vorspielen. Ludwig weigert sich zunächst, doch sein Vater kennt keine Gnade. Also setzt sich Ludwig ans Klavier und spielt...

Wenn Mikaël Ross diese Szene in seiner Graphic Novel bildlich darstellt, schießt der Klang in bunten Farben aus dem Klavier. Der Musik sind die Grenzen der Buchseiten egal, in dünnen und dicken Streifen ziehen sie sich über mehrere Seiten. So versucht der Ross Töne darzustellen, die er kaum in Worten beschreiben kann: "Ich glaube, Beethoven ist wirklich unser deutscher größter Künstler", erklärt der Zeichner. "Es ist mir immer noch völlig unerklärlich, wie ein einzelner Mensch ein solches Werk schaffen kann."

Viel Streit in der Kindheit

Zeichnung aus der Graphic Novel zu Beethovens Jugend | Bildquelle: avant-Verlag berlin Die Musik explodiert. Zeichnung aus der Graphic Novel "Goldjunge" | Bildquelle: avant-Verlag berlin Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, recherchierte der Autor zu den Anfängen von Beethovens Karriere. Dabei stieß er auf die "Fischerschen Manuskripte" – die Aufzeichnungen eines Nachbarsjungen der Familie Beethoven aus der Heimatstadt Bonn. Ross bezeichnet die Manuskripte gern als "Gala-Artikel über die Beethovens". Denn der junge Nachbar habe Beethoven nicht "aus so einer intellektuellen Perspektive bewundert", sondern einfach aufgeschrieben, was er über die Familie wusste. Und das war vor allem: viel Streit. Johann van Beethoven, Ludwigs Vater, war alkoholabhängig und ständig verschuldet. Ludwig war im wahrsten Sinne des Wortes der "Goldjunge" der Familie. Dank seiner Auftritte und dem Klavierunterricht für Adelige konnte er seine Familie ernähren. Diese Belastung für den jungen Beethoven wird auch immer wieder in der Graphic Novel deutlich: Er wirkt ständig angespannt und ist dadurch oft aufbrausend.  "Ich glaube, er war ein ziemlich anstrengender Zeitgenosse", schätzt Ross den Komponisten ein. "Denn alle Menschen in seinem Umfeld kommen immer wieder darauf zurück, dass es mit ihm kompliziert gewesen sein muss. Er war wohl ein sehr misstrauischer Mensch."

Auf der Suche nach Mozart

Aber eben auch ein sehr begabter: 1786 reist Beethoven, dank eines Stipendiums, das erste Mal nach Wien. Er möchte dort beim großen Mozart Unterricht nehmen, doch das ist gar nicht so einfach. Das Buch begleitet uns dabei, wie der 15-Jährige Beethoven mutterseelenallein durch die Stadt irrt. Schon seit zwei Tagen sucht er Mozart – vergeblich. Er steht neben einem Buttenweib mit Eimer, die zu Beethovens Zeit die öffentlichen Toiletten ersetzt. Bei ihr war er schon öfter, denn er hat, mal wieder, Durchfall. Plötzlich ruft eine Stimme: "Scheiß Prinzessin! Den Deckel auf! Avanti!" Beethoven kann es kaum fassen: Es ist Mozart!

Locker, manchmal fast vulgär

Zeichnung aus der Graphic Novel zu Beethovens Jugend | Bildquelle: avant-Verlag berlin Beethoven spielt vor dem Adel. Zeichnung aus "Goldjunge" | Bildquelle: avant-Verlag berlin Solche Szenen sind für den Comic typisch, denn die Geschichte orientiert sich zwar an biografischen Eckdaten, baut aber immer wieder lustige, erfundene Randgeschichten ein. Außerdem überrascht und erfreut die lockere, manchmal fast vulgäre Sprache. Aber die kann Mikaël Ross historisch begründen: "Beethoven war für mich einer der ersten großen Künstler der Moderne und der Aufklärung. Er hatte nicht die Feinheit des Ausdrucks, die es benötigt, um mit dem Adel umzugehen. Man war zwar irgendwie angetan von ihm in der hohen Gesellschaft, aber dann doch irgendwie wieder abgestoßen, nach dem Motto: Wer ist denn dieser Prolet?"

Unbedarfte Herangehensweise

Heute wissen wir längst: Der "Goldjunge" schaffte es bis ganz nach oben. Und mit dem Durchbruch dorthin endet auch das Buch: Beethovens erster öffentlicher Auftritt in Wien 1795. "Ich gehe mit einem mit einer gewissen Unbedarftheit an Beethoven heran", erklärt Mikaël Ross seine Vorgehensweise. "Mit diesem Blick erreiche ich den Zugang auch für Menschen, die noch kein Verhältnis zu Beethoven haben. Und dann hat mein Comic doch eine Berechtigung, wenn ich damit für ein paar Leser diesen Zugang schaffe."

Weitere Infos

Mikaël Ross:
"Goldjunge"
Beethovens Jugendjahre
avant-Verlag, Berlin 2020
189 Seiten
Preis: Hardcover 25,00 €

Sendung: "Allegro" am 11. November 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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