Buch - "Erwarten Sie Wunder!": Buch von Kent Nagano über die Musik und seine Interviews mit Prominenten | Bücher | BR-KLASSIK

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Buch - "Erwarten Sie Wunder!" Buch von Kent Nagano über die Musik und seine Interviews mit Prominenten

06.10.2014 von Dorothea Hußlein / Online-Bearbeitung: Frank Schwarz

Bildquelle: Berlin Verlag, Montage: BR

Ich träume von einer Welt, in der jeder Mensch die Chance hat, Zugang zur klassischen Musik zu finden!

Kent Nagano in 'Erwarten Sie Wunder'

Dass dies möglich ist, weiß er aus eigener Erfahrung. Mit seinem Buch "Erwarten Sie Wunder!" kämpft er gegen den zunehmenden Bedeutungsschwund der klassischen Musik und setzt zugleich seinem ersten Musiklehrer Wachtang Korisheli ein Denkmal.

Kind japanischer Einwanderer

Kent Nagano beim Symphonieorchester | Bildquelle: Astrid Ackermann Kent Nagano beim BR-Symphonieorchester 2012 | Bildquelle: Astrid Ackermann

Denn dieser Flüchtling aus Georgien brachte die klassische Musik in das kleine kalifornische Fischerdorf, in dem Nagano als Kind japanischer Einwanderer groß wurde. Sehr lebendig und bewegt schildert Nagano, wie sich in eben jenem multiethnischen Morro Bay in den 1950er-Jahren ein kleines Wunder ereignete. Denn der außergewöhnliche Musikpädagoge Korisheli gründete Chöre und Orchester an der dortigen Elementary School. und so gelang es ihm, die Kinder für klassische Musik zu begeistern: Kinder von Fischern, Rinderzüchtern und Feldbauern.

Die Selbstverständlichkeit, mit der wir Kinder von Morro Bay, dieser durchmischte Haufen von Einwanderersprösslingen, von Musik umgeben waren, sie entdeckten, uns für sie anstrengten und uns einbrachten, hat uns die Tür zu einer anderen Welt geöffnet: der faszinierenden, grenzenlosen Welt der Ästhetik, und die Möglichkeit, sie zu erfahren.

Kent Nagano in 'Erwarten Sie Wunder'

Kein Kulturpessimist

Bachs Präludien und Fugen, Beethovens und Mozarts Sinfonien, alte Choräle und Kantaten erklingen immer noch, wenn Nagano an seine Kindheit in diesem klingenden Fischerdorf zurückdenkt. Der Grundstein für sein Leben als Musiker wurde hier gelegt.

Stationen von Naganos Biografie

Geboren 1951 in Berkeley, Kalifornien, lernte er bereits mit vier Jahren Klavierspielen. Mit acht Jahren dirigierte er erstmals einen Kirchenchor. Nach seinem Studium der Soziologie und Musik in den USA begann er als Dirigent zunächst in Boston. Eine enge Freundschaft mit dem Komponisten Olivier Messiaen führte Nagano nach Frankreich, wo er später musikalischer Leiter der Opéra National de Lyon wurde. In Deutschland leitete er das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und war von 2006 bis 2013 Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. Im Herbst 2015 übernimmt Nagano die künstlerische Leitung der Hamburgischen Staatsoper.

Seit nunmehr vierzig Jahren befasst sich Nagano professionell und ausschließlich mit klassischer Musik und erlebt, wie diese Welt immer schneller an Bedeutung verliert, speziell in den USA und in Deutschland, dem Land der Dichter, Denker und Komponisten. Nagano will jedoch kein Kulturpessimist sein. Vielmehr versucht er, die Chancen der klassischen Musik zu sehen: "Musik ist nur dazu da, erfahren zu werden. Sie kann einen begleiten, bewegen, verändern, viel mehr noch. Ästhetische Erfahrungen sind unverzichtbarer Bestandteil des Lebens. Sie sind Teil unserer Identität, wenn sie uns mit unserer Vergangenheit, unseren gesellschaftlichen Traditionen verbinden und uns Orientierung für die Zukunft geben. Heute weiß ich, dass es diese Erkenntnis ist, die mir meine Kindheit gebracht hat."

Nagano interviewt Prominente

Kent Nagano | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Kent Naganos Buch "Erwarten Sie Wunder!" - "Expect the Unexpected" ist ein lesenswertes, weil persönliches, kritisches und zugleich humorvolles Plädoyer für die klassische Musik. Und es gibt Einblicke in Naganos vielseitige Interessensgebiete, beispielsweise der Europäischen Kulturgeschichte. Für dieses Buch hat die Journalistin Inge Kloepfer die langen Gespräche mit Nagano, sein Nachdenken über Musik in ihre Worte gefasst: Interessant sind aber auch die Interviews, die Nagano selbst geführt hat und die in den Text mit einbezogen sind: darunter Gespräche mit Kardinal Reinhard Marx und - besonders verblüffend - mit Altkanzler Helmut Schmidt.