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Album der Woche: Anna Prohaska – "Paradise Lost" Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies

Sie ist die Tochter einer irisch-englischen Sängerin und eines österreichischen Opernregisseurs. Dass Anna Prohaska Sängerin wurde, war also vielleicht keine Überraschung. Eine so erfolgreiche Karriere war allerdings auch ihr nicht in die Wiege gelegt. Ensemble der Lindenoper, 2009 Salzburger Festspiele, Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Harry Kupfer und Christoph Schlingensief, mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Pierre Boulez und Mariss Jansons. Aus ihrer umfangreichen Diskographie stechen vor allem drei Liedalben hervor. Das jüngste, "Paradise Lost", ist vielleicht auch das schönste.

CD-Cover: Anna Prohaska – "Paradise Lost" | Bildquelle: Alpha Classics

Bildquelle: Alpha Classics

Die CD-Empfehlung zum Anhören

Ein Album mit einem so intelligenten, intellektuell überzeugenden wie emotional berührenden Programm hat absoluten Seltenheitswert. Der Sopranistin Anna Prohaska gelingt es jetzt schon zum dritten Mal, ein solches Konzeptalbum vorzulegen, und vielleicht ist ihre jüngste CD in dieser Hinsicht sogar ihre schönste.

Der Anspruch ist geblieben

Ihre erste Veröffentlichung bot Sirenengesänge in allen Facetten. Auf ihrer großartigen zweiten CD "Behind the Lines" waren es Lieder über den Krieg und seine Versehrungen, aus denen Prohaska mit ihrem Klavierpartner Eric Schneider ein ebenso kluges wie anrührendes Konzept schmiedete. Ihr neues Album trägt den Titel "Paradise Lost", "Das verlorene Paradies", in Anspielung auf das berühmte gleichnamige epische Gedicht des englischen Dichters John Milton aus dem 17. Jahrhundert. Den Pianisten hat Anna Prohaska diesmal gewechselt, er heißt jetzt Julius Drake. Der konzeptionelle Anspruch ist geblieben, wenn nicht gewachsen.

Kurz und bündig

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… wunderschöne Lieder genauso schön gesungen und gespielt werden.

Dieses Album wird lieben, wer …
… außergewöhnliches und intelligent ausgewähltes Repertoire liebt.

Dieses Album lädt ein zum Nachdenken über …
… schöne Utopien und die nicht immer ganz so schöne Realität.

Vorübergleitende Traumsequenz

Konzeptalben können gründlich schiefgehen. Sie können langweilen, wenn sie bedeutungsschwanger mit erhobenem Zeigefinger daherkommen, der intellektuelle Anspruch hinter jedem Ton lauert. Die Art, wie Prohaska und Drake sich hier mit Hilfe von 25 Liedern von 21 Komponisten von Henry Purcell bis Aribert Reimann auf die Suche nach dem verlorenen Paradies begeben, hat nichts davon. Dieses Album lässt sich erleben wie eine vorübergleitende Traumsequenz, ganz einfach, weil es wunderschön ist. Wem das reicht, dem bietet es perfekten, vielleicht fast zu makellosen Gesang und einen fantastisch farbigen Klavierpart.

Kluge Abfolge von sechs Kapiteln

Wer mehr will, kann sich mühelos in die kluge Abfolge von sechs Kapiteln einhören, kann Musik lauschen, die mal tiefgründig, mal augenzwinkernd den Morgen im Paradies oder die Erschaffung von Eva besingt, die pastorale Idylle in Arkadien oder das Spiel mit dem Feuer und den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies und den harten Aufschlag in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Prohaska und Drake schlagen einen weiten Bogen von Maurice Ravels symbolistischen "Drei schönen Vögeln" bis zu Gustav Mahlers gnadenlos realistischem "Irdischen Leben" und Hans Eislers bitterbösen "Hollywood-Elegien". Da ist das Paradies endgültig verloren und allenfalls noch ein Traum für die wenigen, die ihn sich leisten können.

Anna Prohaska – "Paradise Lost"

Lieder von
Henry Purcell,
Gustav Mahler,
Maurice Ravel,
Hanns Eisler,
Benjamin Britten,
Aribert Reimann

u.a.

Anna Prohaska (Sopran)
Julius Drake (Klavier)

Label: Alpha Classics

Sendung: "Piazza" am 18. April 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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