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Album der Woche – Christian Tetzlaff spielt Violinkonzerte von Beethoven und Sibelius

Die Violinkonzerte von Beethoven und Sibelius, ein Gegensatzpaar, das Christian Tetzlaff mit Anfang 50 jetzt nochmal neu eingespielt hat. Zusammen mit Robin Ticciati, Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, hat Tetzlaff zu ganz unterschiedlichen Lösungen gefunden: Dramatik, Energie und Unsentimentalität bei Sibelius – Leichtigkeit, Versenkung und Freiheit bei Beethoven. Ein so fein ausgehörter und musikantisch ausgelassener Klassiker ist schon mal ein starker Beitrag zum bevorstehenden Beethoven-Jahr.

Christian Tetzlaff spielt Beethoven & Sibelius | Bildquelle: Ondine

Bildquelle: Ondine

CD-Tipp 7.10.2019

Christian Tetzlaff mit Beethoven und Sibelius

Mit unbändiger Energie stürzt sich Christian Tetzlaff auf das Rondo in Beethovens Violinkonzert. Im wiederkehrenden Refrain variiert er die Phrasierung spielerisch, damit es nicht langweilig wird. Und Robin Ticciati lässt sich am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin von Tetzlaffs Ausgelassenheit anstecken. Mit markanter Artikulation sorgt er für einen zeitgemäßen Beethoven-Sound. Im schier endlosen Kopfsatz gibt das Klopfmotiv der Pauke den Rhythmus vor. Tetzlaff und Ticciati wählen dafür ein durchaus gemäßigtes Marschtempo – das Ergebnis ist absolut stimmig.

Kurz und bündig

Dieses Album muss man haben, weil …
… es Christian Tetzlaffs jahrzehntelange Auseinandersetzung mit den Standardwerken von Beethoven und Sibelius diskografisch auf den aktuellen Stand bringt.

Dieses Album lohnt sich, weil …
… man hier zwei der berühmtesten Violinkonzerte in nicht alltäglicher Koppelung und exemplarischen Interpretationen auf einer CD bekommt.

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… Christian Tetzlaff für seine Sicht auf Beethoven und Sibelius mit Robin Ticciati endlich den richtigen Partner am Pult gefunden hat.

Immer im Fluss

Tetzlaff nimmt sich viel Freiheit bei der Gestaltung des Soloparts, lässt sich Zeit für Beethovens weitgespannte Melodiebögen. Trotzdem hält er die musikalische Entwicklung immer im Fluss – ein kleines Kunststück. Das gilt auch für den meditativen langsamen Satz, der für Tetzlaff den Charakter einer Prozession, einer Andacht hat. Im Vergleich zum symphonischen Diskurs im Kopfsatz gibt er sich hier ganz dem Gesang hin.

Riesiges Dynamikspektrum

Die ungewöhnliche Kombination Beethoven/Sibelius ist eine echte Herausforderung. Prägnant arbeiten Ticciati und Tetzlaff die stilistischen Unterschiede heraus. Den Beginn des Sibelius-Konzerts lässt Ticciati wie aus dem Nichts entstehen, bevor er mächtige Klangwogen auftürmt. Das riesige Dynamikspektrum der Aufnahme hilft ihm dabei – die Kontraste sind so stark, dass man beim Hören des Albums immer wieder mal am Lautstärkeregler drehen muss. Bei Sibelius drückt Tetzlaff tonlich mehr auf die Tube, ohne aber je in sentimentales Schmachten zu verfallen.

Danse macabre bei Sibelius

Keine Frage: Christian Tetzlaff hat vor dieser Neuaufnahme der beiden Standardwerke eine Metamorphose durchgemacht. Er hat an seinem oft ausufernden Vibrato gearbeitet, die damit einhergehenden Intonationstrübungen in den Griff bekommen. Sein Ton wirkt nun schlanker, fokussierter, erfüllter. In Robin Ticciati hat Tetzlaff zudem einen gleichgesinnten Mitstreiter gefunden, der ihm bei Beethoven mehr Raum zur Entfaltung gibt als in seinen früheren Aufnahmen. Und im Sibelius-Konzert treiben die beiden den finalen Parforceritt auf die Spitze. Bei Tetzlaff und Ticciati ist der Schlusssatz keine niedliche "Polonaise für Eisbären", wie ein Zeitgenosse witzelte. Sondern das, was Sibelius im Sinn hatte: eine "Danse macabre", ein Totentanz.

Christian Tetzlaff spielt Beethoven & Sibelius

Ludwig van Beethoven:
Violinkonzert D-Dur, op. 61
Jean Sibelius:
Violinkonzert d-Moll, op. 47

Christian Tetzlaff (Violine)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Robin Ticciati

Label: Ondine

Sendung: "Piazza" am 12. Oktober 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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