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Album der Woche – Francesco Piemontesi: "Bach Nostalghia" Eine Entdeckung – nicht für Puristen

Unprätentiös ist sein Auftreten, diskret seine Selbstvermarktung. Francesco Piemontesi ist ein Pianist, der nicht viel Aufheben von sich, seinem virtuosen Können oder seiner Intelligenz macht. Klavierfans beobachten schon lange die Karriere des 38-jährigen Schweizers, der mittlerweile in Berlin lebt. Weithin bekannt geworden sind seine Mozart-Interpretationen. Mit seiner neuen CD "Bach Nostalghia" präsentiert er sein zweites Album beim Label Pentatone.

CD-Cover: Francesco Piemontesi — "Bach Nostalghia" | Bildquelle: Pentatone

Bildquelle: Pentatone

Der CD-Tipp zum Anhören

Wer kennt das nicht: Man hört Musik und hat sofort Bilder im Kopf, die einen an bestimmte Ereignisse, Personen oder Stimmungen erinnern. Das Gedächtnis, vor allem das emotionale, scheint mit unserem Gehör mehr verbunden zu sein als mit dem Sehsinn. Schnell ist dann von Nostalgie die Rede. Es ist bezeichnend, dass im Begriff Nostalgie "Heimweh" einerseits, andererseits Bedeutungen wie "Rückkehr" und "Schmerz" zusammenkommen. Genau diesen Momenten von Sehnsucht und musikalischer Rückbesinnung spürt Francesco Piemontesi mit seinem aktuellen Konzeptalbum nach und nennt es "Bach Nostalghia".

Unterschiedliche Klangpaletten

Piemontesi präsentiert Originalwerke von Bach neben Transkriptionen und von Bach inspirierten Stücken von Ferrucio Busoni, Wilhelm Kempff und Maximilian Schnaus. Was den Schweizer Pianisten dabei interessiert, ist die Klangpalette der unterschiedlichen Bachtranskriptionen. Dabei geht es zur Abwechslung mal nicht um historische, barocke Aufführungspraxis. Denn die Transkriptionen zielen auf ein Instrument, das zu Lebzeiten von Bach ja noch gar nicht erfunden war: den modernen Flügel.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… Bachs Musik liebt und neugierig ist.

Dieses Album lohnt sich, weil …
… man Bach nicht nur pur oder puristisch hört.

Dieses Album führt bei Überdosis zu …
… Retro-Lust und Nostalgie.

Sehr differenziert artikuliert

Schlicht und doch sehr einfühlsam spielt Francesco Piemontesi die elegante cantabile-Transkription aus Bachs Flötensonate von Wilhelm Kempff. Mit Orgel-ähnlichem, vollen Klavierklang nähert er sich Bachs Präludium und Fuge in einer der frühesten Bach-Transkriptionen von Busoni. Sehr differenziert artikuliert sind die drei Choralbearbeitungen von Kempff und Schnaus. Das gelingt Piemontesi vor allem mit einem äußerst abgestuften und virtuosen Pedaleinsatz. Eine echte Entdeckung ist Busonis Toccata, ein Spätwerk aus dem Jahr 1921, das zwar Bachs Spuren folgt, aber entschieden zukunftsweisend klingt.

Eine Geschmacksfrage – und eine Entdeckung

Bach aus den Augen des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts – für Puristen ist das nichts. Eine Geschmacksfrage allemal. Aber auch eine Entdeckung. Bach im spätromantischen Retro-Look. Nostalgisch verschleiert, aber nicht verkitscht – dafür steht das hochdifferenzierte Spiel von Francesco Piemontesi.

Francesco Piemontesi — "Bach Nostalghia"

Johann Sebastian Bach:
Italienisches Konzert BWV 971
Bach / Busoni:
Präludium & Fuge BWV 552; Nun komm der Heiden Heiland BWV 659; Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645
Bach / Kempff:
2. Satz aus der Flötensonate BWV 1031
Bach / Schnaus:
Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter
Ferruccio Busoni:
Toccata K. 287

Francesco Piemontesi (Klavier)

Label: Pentatone

Sendung: "Piazza" am 24. April 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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