BR-KLASSIK

Inhalt

Album der Woche – Händel: "Agrippina" Joyce DiDonato als gewiefte Intrigantin

Aus Toblach in Südtirol stammt diese Neueinspielung von Händels "Agrippina". Frisch wie am ersten Tag wirkt die Musik in dieser Aufnahme. Die allseits umjubelte Mezzosopranistin Joyce DiDonato singt die Titelpartie. Eine temperamentvolle Interpretation dieser genialen Oper, die rundum Spaß macht.

CD-Cover Händel: "Agrippina" | Bildquelle: Erato

Bildquelle: Erato

Der CD-Tipp zum Anhören

Schon lange gab es mit dem amerikanischen Mezzo-Star Joyce DiDonato keine Händel-Oper mehr auf CD. Und erstmals hat sie sich nicht etwa an der soundsovielten Studioproduktion ihres Landsmanns Alan Curtis beteiligt, der stets für einen – höflich formuliert – unaufgeregten Interpretationsansatz sorgt. Endlich ist es mit dem Russen Maxim Emelyanychev ein junger Wilder am Dirigentenpult, der die temperamentsgeladenen Seiten von Joyce DiDonato zugespitzt auf den Punkt bringt: für Agrippina!

Ohne Manierismen

Eine politisch ehrgeizige, zu jedem Frevel bereite Mutter und äußerst gewiefte Intrigantin ist diese Agrippina im alten Rom. Und Joyce DiDonato kostet jedes Detail der dankbaren Rolle aus, ohne auch nur einen Moment lang manieriert zu übertreiben. Ihr gegenüber hat es die Französin Elsa Benoit nicht leicht, Schritt zu halten. Obwohl auch sie so manch gute Idee zur Gestaltung ihrer Partie hat, bleibt Poppea hier im Hintergrund.

Kurz und bündig

Dieses Album lohnt sich, weil …
… man eine der heute besten Opernsängerinnen stimmliche Grenzbereiche erobern hört: Joyce DiDonato als Agrippina!

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es das erste komplette Bühnenfigurenporträt eines Spitzen-Nachwuchstalents auf CD ist: Countertenor Jakub Jozef Orlinski als Ottone!

Dieses Album ist etwas Besonderes, weil …
… man drei zentrale Operngestalten mit ihren gleichnamigen Doppelgängern aus Claudio Monteverdis "Krönung der Poppea" vergleichen kann.

Böse Satire

Der venezianische Publikumsjubel bedeutete bei der "Agrippina"-Uraufführung 1709 den Durchbruch für den gerade mal 25-jährigen Komponisten aus Halle. In Italien riefen sie ihn nur "Caro Sassone – teurer Sachse": wegen seiner vitalen, fantasievollen, kontrastreichen Musik. Eine Steilvorlage war schon das enorm geschliffene Textbuch von Vincenzo Grimani, eine böse Satire auf Korruption und Machtmissbrauch. Beißender Spott durchzieht die Oper.

Fetzige Ohrwürmer und Lamenti mit Tiefgang

Zwei Countertenöre wetteifern in dieser Aufnahme um unsere Aufmerksamkeit: Der polnische Shootingstar Jakub Jozef Orlinski tritt gegen den seit Jahren etablierten argentinischen Fachvertreter Franco Fagioli an. Stimmlich virtuos sind sie beide, gegenseitig auf Augenhöhe. Der persönliche Hörer-Geschmack wird darüber entscheiden, wem von beiden Sängern sie oder er lieber lauscht. Jedenfalls greifen beide Interpreten beherzt und ernsthaft auf die sehr verschiedenen Charaktere zu: Nerone und Ottone. Und auch am Ensemble Il Pomo d'oro hat man Spaß: Denn Maxim Emelyanychev weiß genau, wo und wie sich das frühreife Genie Händel in dieser Oper zu erkennen gibt. Unter den Arien sind fetzige Ohrwürmer ebenso wie Lamenti mit Tiefgang. Barockfans werden zu Recht keinen Augenblick zögern, sich dieses diskografische Juwel ins Regel zu stellen.

Infos zur CD

Georg Friedrich Händel:
"Agrippina"


Joyce DiDonato, Mezzosopran – Agrippina
Elsa Benoit, Sopran – Poppea
Franco Fagioli, Countertenor – Nerone
Jakub Jozef Orlinski, Countertenor – Ottone
Luca Pisaroni, Bassbariton – Claudio
Andrea Mastroni, Bassbariton – Pallante
Carlo Vistoli , Countertenor – Narciso
Biagio Pizzuti, Bass – Lesbo
Marie-Nicole Lemieux, Alt – Giunone

Il Pomo d'oro
Leitung: Maxim Emelyanychev

Label: Erato

Sendung: "Piazza" am 7. März 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player