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Album der Woche – Händels "Brockes-Passion" Sensibel und stilgerecht

Georg Friedrich Händels "Brockes-Passion" ist sein einziges deutschsprachiges Oratorium, das er in London schrieb. Basierend auf einem Passions-Oratorium von Barthold Heinrich Brockes ist es durchdrungen vom Geist des Pietismus, der das Individuum und den gelebten Glauben ins Zentrum rückt. Seit Anfang der 2000er Jahre feiert das Werk seine Renaissance und erschien allein 2019 in drei Neueinspielungen. Die aktuellste Interpretation stammt von dem 2010 gegründeten britischen Ensemble Arcangelo unter Leitung von Jonathan Cohen: eine hochkarätige, vom Originalklang beseelte Produktion.

CD-Cover:_Händel: "Brockes-Passion" | Bildquelle: Alpha Classics

Bildquelle: Alpha Classics

Der CD-Tipp zum Anhören

"Brich, mein Herz, zerfließ in Tränen": Sopran-Arien wie diese machen den kontemplativen Kern der "Brockes-Passion" aus. Die ganz persönliche Empathie. Und Sandrine Piau verkörpert diesen Part der Tochter Zion mit wunderbar einfühlsamem, nach innen gekehrtem Ausdruck.  Auch die beiden männlichen Partien sind überzeugend besetzt: der Evangelist mit Tenor Stuart Jackson und Jesus mit dem deutsch-rumänischen Bariton Konstantin Krimmel, der ausgesprochen Lied-affin ist.

Zeremonienmeister Händel

Aus Passagen wie dieser spricht bereits der spätere Zeremonienmeister Händel: affekt-geübt einerseits, andererseits auf klangliche Eleganz und Eingängigkeit bedacht. Das gilt auch für die Handlungs-intensiven Szenen mit Chorbeteiligung, die sogenannten "Turbae". Verglichen mit der Dramatik der beiden Bach'schen Passionen wirkt diese Inszenierung des Passionsgeschehens fast ein wenig harmlos. Kontrapunktische Komplexität als klangliche Metapher seelischer Abgründe zumindest sucht man in diesem Oratorium weitgehend vergebens.

Kurz und bündig

Dieses Album ist …
… ein Hörgenuss schon der SolistInnen wegen.

Dieses Album ist …
… eine gute Ergänzung zu Bachs Passionen.

Dieses Album ist …
… ein Muss für alle Händel-Fans.

Schlanker Chor

Selbst das Duett von Maria und Jesus kurz vor dem Höhepunkt des Geschehens entbehrt nicht einer gewissen Harmlosigkeit - interpretatorisch allerdings vorbildlich in Szene gesetzt. Überhaupt besteht der Chor, das "Vocal Consort" aus lediglich acht Sängerinnen und Sängern, die – ganz im Sinne barocker Aufführungspraxis – zugleich solistisch in Erscheinung treten und dabei kaum Wünsche offenlassen.

Eine echte Alternative

Dem entspricht auch die handverlesene Besetzung des 2010 gegründeten Ensemble Arcangelo, das hier auf stilgerechten, teils historischen Instrumenten zu hören ist und von Jonathan Cohen vom Cembalo aus geleitet wird. Das künstlerische Resultat ist eine der intimsten Einspielungen und eine echte Alternative zu den drei Neuerscheinungen des vorletzten Jahres.

Infos zur CD

Georg Friedrich Händel:
Passion nach Brockes HWV 48 "Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus"

Sandrine Piau (Sopran)
Stuart Jackson (Tenor)
Konstantin Krimmel (Bariton)
Arcangelo
Leitung: Jonathan Cohen

Label: Alpha

Sendung: "Piazza" am 27. März 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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