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Album der Woche – "Facce d'amore" Opernarien mit Jakub Józef Orlinski

Es war nur eine Frage der Zeit, dass der junge polnische Countertenor Jakub Józef Orlinski seinem Debütalbum "Anima Sacra" mit geistlichem Repertoire irgendwann eine Sammlung von Opernarien folgen lassen würde: Inzwischen ist es geschehen! Unter dem italienischen Titel "Facce d'amore", also "Gesichter der Liebe", entstand die Aufnahme im März 2019, ein gutes Jahr nach dem Debütalbum, wieder im Veneto, genauer: Lonigo, Villa San Fermo. Und wieder assistiert dem Sänger das Ensemble "Il pomo d'oro" unter der Leitung von Maxim Emelyanychev.

CD-Cover: Jakub Józef Orlinski – "Facce d'amore" | Bildquelle: Erato

Bildquelle: Erato

Der CD-Tipp zum Anhören

Er ist auch schon als Breakdancer aufgetreten: der 29jährige Countertenor Jakub Józef Orlinski! Bei diesem Sänger kommen Model-Qualitäten zum stimmlichen Können. Sein Vortrag einer Vivaldi-Arie bei YouTube hat mehrere Millionen Klicks hervorgerufen, weil sein sportives Outfit die musikalisch grandiose Interpretation ungewöhnlich sexy zur Geltung brachte. Den bisherigen Eroberungen des Senkrechtstarters in der Opernwelt, den Festspielen von Aix-en-Provence und Glyndebourne neben den Städtischen Bühnen Frankfurt, werden sicher weitere folgen. Jakub Józef Orlinski ist keine Eintagsfliege.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… Countertenöre bewundert.

Dieses Album hört man am besten …
… in völliger Dunkelheit.

Dieses Album führt bei Überdosis …
… zu euphorischen Zuständen.

Ersteinspielungen und Publikumslieblinge

Bei Höhenflügen müssen sich Countertenöre wohl fühlen, sonst brauchen sie gar nicht loszulegen. Wenn dann aber einer auch noch mit üppigem Tiefgang aufwartet, verdient er jede Beachtung. Um seine Unerschrockenheit zu demonstrieren, egal in welcher Region der Tonskala er gerade gefordert ist, nutzt Orlinski eine Arie aus der beinahe vergessenen Oper "Nerone" von Giuseppe Maria Orlandini. In diesem Fall scheint der römische Kaiser, die porträtierte Bühnenfigur, von Liebe wie von einer Art Größenwahn befallen zu sein. Giovanni Antonio Boretti oder Francesco Bartolomeo Conti heißen so gut wie unbekannte Tonsetzer der Barockzeit, deren Arien der junge Mann aus Polen hier stolz in Ersteinspielungen herausbringt. Aber natürlich sind auch Publikumslieblinge dabei.

Jederzeit dezent und geschmackvoll

Das berühmte "Lascia ch'io pianga" aus Georg Friedrich Händels Oper "Rinaldo" klingt in der leicht modifizierten Fassung aus "Amadigi di Gaula" anders als gewohnt – aber genauso apart! Nirgends innerhalb dieses Programms steht Orlinski unter dem Verdacht emotionaler Erpressung: Er singt und gestaltet jederzeit dezent und geschmackvoll. Manchmal glüht sein Instrument förmlich, auf langem und sehr langem Atem. Umso mehr Freude hat man an konzentriertem Zuhören. Und das 20-köpfige Ensemble "Il pomo d'oro" tut munter mit: Sein Name, zu Deutsch "Der goldene Apfel", spielt auf eine Barockoper von Antonio Cesti an. Die Musizierfreude schließt Ernsthaftigkeit in artikulatorischen Fragen nicht aus. Im Ganzen ein rundum gelungener Blick auf die widersprüchlichen Gesichter der Liebe – "facce d'amore"!

"Facce d'amore"

Arien aus Opern von
Francesco Cavalli ("La Calisto"),
Giovanni Antonio Boretti ("Eliogabalo" und "Claudio Cesare"),
Giovanni Bononcini ("La nemica d'Amore fatta amante" und "La costanza non gradita nel doppio amore d'Aminta"),
Alessandro Scarlatti ("Pirro e Demetrio"),
Georg Friedrich Händel ("Agrippina", "Amadigi di Gaula", "Muzio Scevola", "Orlando"),
Giuseppe Maria Orlandini / Johann Mattheson ("Nerone"),
Luca Antonio Predieri ("Scipione il giovane"),
Nicola Matteis ("Ballo dei Bagatellieri"),
Francesco Bartolomeo Conti ("Don Chisciotte in Sierra Morena")
und
Johann Adolf Hasse ("Orfeo")

Jakub Józef Orlinski (Countertenor)
Il Pomo d'oro
Leitung: Maxim Emelyanychev

Label: Erato

Sendung: "Piazza" am 8. Februar 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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