Das Kultur- und Kongresszentrum, kurz KKL, ist ein Wahrzeichen von Luzern. Kühn ragt der von Jean Nouvel entworfene Bau in den Vierwaldstättersee. Weltberühmt ist der Konzertsaal für seine fabelhafte Akustik. Weniger bekannt ist, dass es in Luzern ein hauseigenes Orchester gibt. Chefdirigent ist noch bis zum Ende der laufenden Saison der gebürtige New Yorker James Gaffigan. Bereits 2018 hat er mit seinem Luzerner Sinfonieorchester im KKL ein spannendes Album eingespielt, das jetzt erschienen ist: "Americans" bietet ein Kaleidoskop amerikanischer Musik des 20. Jahrhunderts.
Bildquelle: Harmonia Mundi
Der CD-Tipp zum Anhören
Absolut kitschfrei nimmt James Gaffigan einen Hit wie "Somewhere" aus Leonard Bernsteins Welterfolg "West Side Story". Und das Luzerner Sinfonieorchester liefert ihm dazu einen samtigen Streichersound, schlank, ohne schwülstiges Vibrato. In anderen Nummern dieser "Symphonic Dances" geht es härter zur Sache, etwa wenn die verfeindeten New Yorker Straßengangs mit einem hitzigen "Mambo" brutal aufeinandertreffen.
Das ist der typische Bernstein-Sound, mit Coolness und Charme auf den Punkt gebracht. Aber Gaffigans Album "Americans" hat nur bedingt mit Unterhaltungsmusik zu tun. Auch wenn die Dritte Symphonie des amerikanischen Klangpioniers Charles Ives recht melodiös daherkommt.
In seiner Dritten Symphonie hat Ives Kirchenhymnen und liturgische Orgelstücke der Presbyterianer orchestral verarbeitet. Der Titel "The Camp Meeting" bezieht sich auf die Versammlungen dieser Religionsgemeinschaft unter freiem Himmel. In seiner Komposition driftet Ives harmonisch immer wieder in tonale Grenzbereiche ab. Neben den feierlichen Chorälen der Gemeinde findet er entzückende Töne für die Kinder – hier punktet das Luzerner Sinfonieorchester mit duftigen Holzbläser-Soli und leichtfüßigen Rhythmen.
Dieses Album wird lieben, wer …
… Leonard Bernsteins "West Side Story" liebt.
Dieses Album lohnt sich, weil …
… man hier auch Werke anderer amerikanischer Komponisten kennenlernen kann.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… die Akustik im Luzerner KKL einfach fabelhaft ist.
Dieses Album hört man am besten …
… an einem lauen Sommerabend.
Dieses Album lädt dazu ein …
… mögliche Vorbehalte gegen angeblich "seichte" Musik aus Amerika zu revidieren.
Das modernste Stück auf dem Album stammt von einer Frau: "Andante for Strings" ist eine avantgardistische Klangstudie von Ruth Crawford Seeger. Eingängiger gibt sich Samuel Barber in seinem ersten Orchesterwerk, einer Konzertouvertüre zu der Sittenkomödie aus dem 18. Jahrhundert, "The School for Scandal – Die Lästerschule". Gaffigan trifft den schlitzohrigen Charakter der Vorlage genau.
Drei Jahrzehnte später schrieb Barber als arriviertester US-Komponist seiner Zeit eine "Toccata Festiva" – als Auftragswerk zur Orgelweihe der Academy of Music in Philadelphia. Natürlich kommt da die Orgel machtvoll zum Einsatz. Der Schlusspunkt auf dem Album "Americans", das für den Amerikaner James Gaffigan maßgeschneidert ist: Lässig und impulsiv wechselt er Stimmungen und Klangfarben, aber immer mit Präzision. Und auf was für ein Niveau er das Luzerner Sinfonieorchester in seiner Chefdirigenten-Ära gebracht hat – darüber kann man nur staunen.
Leonard Bernstein:
"Symphonic Dances from ‚West Side Story‘"
Charles Ives:
Symphonie Nr. 3 "The Camp Meeting"
Ruth Crawford Seeger:
"Andante for Strings"
Samuel Barber:
Overture to "The School for Scandal" op. 5
"Toccata Festiva" für Orgel und Orchester op. 36
Paul Jacobs (Orgel)
Luzerner Sinfonieorchester
Leitung: James Gaffigan
Label: harmonia mundi
Sendung: "Piazza" am 26. Juni 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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