BR-KLASSIK

Sie sind jung, sympathisch, kommunikativ, sie sehen gut aus. Und: Lucas und Arthur Jussen spielen vor allem sehr gut Klavier. Das tun sie seit frühen Kindheitsjahren. Zehn und dreizehnjährig konzertieren sie bereits im Amsterdamer Concertgebouw und gelten als Wunderkinder. Studieren konnten sie bei berühmten Pianisten wie Maria João Pires und Menahem Pressler. Durch ihr selbstverständliches Spiel und ihre Frische begeistern sie das internationale Klassikpublikum und bringen Jung und Alt zu Standing Ovations.

Bildquelle: Deutsche Grammophon

Das Album der Woche zum Anhören

Mit einer Bach-Aufnahme haben sich die Jussen-Brüder etwas Zeit gelassen. So gingen CDs mit Musik von Beethoven, Schubert, Mozart und zuletzt mit französischem Repertoire von Poulenc und Saint-Säens ihrer aktuellen CD voraus. Jetzt wollten sie sich bewusst der Herausforderung Bach stellen, meint Lucas im CD-Booklet. Denn die Frage bleibe so oder so, ob man jemals für Bach bereit sei, schreibt ergänzend Arthur. Zusammen mit der Amsterdam Sinfonietta interpretieren die Brüder zwei Doppelkonzerte. Ergänzt wird die Aufnahme durch Choralvorspiele vierhändig und an zwei Klavieren.

Präzise und unaufgeregt artikuliert

Die Jussens spielen ihren Bach mit großer Natürlichkeit, unprätentiös und geradlinig. Mit historischer Aufführungspraxis hat ihre Interpretation dabei wenig zu tun. Die von der Konzertmeisterin Candida Thompson geleitete Amsterdam Sinfonietta spielt zwar historisch informiert, tritt stellenweise jedoch allzu sehr in den Hintergrund. Das mag auch eine bewusste aufnahmeästhetische Entscheidung gewesen sein. Die Jussen-Brüder sind bei beiden Doppelkonzerten jedenfalls klar im Vordergrund, artikulieren sehr präzise, unaufgeregt. Doch gerade bei diesen Konzerten fehlen stellenweise eine größere Dramatik, flottere Tempi oder einfach mehr Mut zu Akzenten.

Demütige Interpretationshaltung

Die Angst, diese Musik demontieren zu können, scheint allzu groß. Den wunderbar kantablen Charakter der Choräle prägt eine fast sakral anmutende und demütige Haltung, die immer wieder verzaubert. So ist dieses Album für alle ein Glück, die Bachs Tastenmusik gesangvoll und ausgeglichen hören mögen. Und es bleibt die Erkenntnis: junge Musiker müssen sich offensichtlich nicht zwingend als junge Wilde mit dieser alten Musik auseinandersetzen.

Sendung: "Piazza" am 26. Oktober 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK