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Album der Woche – William Christie dirigiert Monteverdi "L'incoronazione di Poppea"

Was für eine Geschichte! Ein besseres, aber auch abgefeimteres Libretto als das zu "L'incoronazione di Poppea" ist selten geschrieben worden. Fast vier Jahrhunderte ist es alt, entstammt einer Zeit, als die Oper erste Gehversuche machte. Und doch blieb es bis heute in absoluter Zeitlosigkeit unverändert aktuell. Giovanni Francesco Busenello hieß der Dichter, kein Mensch würde sich an ihn erinnern, hätte er nicht für Claudio Monteverdi geschrieben. Dessen Musik ist mindestens so gut wie der Text und gehört zum Schönsten, was wir aus der abendländischen Musikgeschichte kennen.

Wiliam Christie dirigiert Monteverdis "Poppea" | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

Das Album der Woche zum Anhören

Keiner der Figuren, die diese Oper bevölkern, wollten wir im wahren Leben begegnen. So gut wie keine ist frei von kompletter Amoralität, von Machtgier und Brutalität, alle lügen, betrügen, intrigieren. Doch alle singen traumhaft schön und werden von einem wunderbar zauberischen Orchesterklang getragen. Die irritierende Pointe am Ende von Monteverdis "Poppea": Über alles, und sei es moralisch noch so verwerflich, triumphiert die unbedingte Liebe, unbedingt auch deshalb, weil sie eine unüberhörbar körperlich sexuelle ist. Weder Text noch Musik lassen daran den leisesten Zweifel. Eine spannende Botschaft im katholischen Italien des 17. Jahrhunderts.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… Claudio Monteverdi – wie ich – für einen der größten Komponisten der Musikgeschichte hält.

Dieses Album muss man haben, weil …
… eine der schönsten Opern überhaupt szenisch wie musikalisch großartig zu erleben ist.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… ein tolles Solistenensemble und ein Altmeister der Alten Musik zur perfekten Einheit verschmelzen.

Unwiderstehlich sinnliche Verführerin

Die Salzburger Festspiele haben Monteverdis letztes, zutiefst irritierendes Meisterwerk im August 2018 musikalisch wie szenisch großartig auf die Bühne des Hauses für Mozart gebracht. Diese Produktion hat Harmonia Mundi nun in einer schönen Edition auf CD und DVD veröffentlicht, und die Wiederbegegnung macht nicht weniger Freude als der Premierenabend. William Christie und sein mit nur 15 Musikern besetztes Ensemble Les Arts Florissants musizieren unglaublich farbig und lebendig – ein Fest klanglicher Sinnlichkeit. Die Gesangsriege ist erlesen: Sonya Yoncheva, seit Jahren bestens vertraut mit der Titelpartie, lotet stimmlich wie darstellerisch alle Facetten dieser skrupellos machtgierigen Schönheit aus, die Sekunden später zur unwiderstehlich sinnlichen Verführerin wird. Kate Lindsey liefert als Nero das überragende Porträt eines halbverrückten Herrschers, der in seiner rücksichtslosen Brutalität jeden moralischen Kompass verloren hat. Berückend auch der in seiner Verlogenheit keineswegs sympathischere Rest des Personals. Und Regisseur Jan Lauwers fand großartige Bilder in einem Bühnenbild, das Malerei und menschlichen Körper faszinierend miteinander verschmelzen ließ – die DVD macht das fast noch plastischer erlebbar als die Bühne.

Fantastische Deutung

Ein großer Abend, nicht zuletzt dank der fantastischen Deutung von William Christie, diesem Altmeister der historisch informierten Aufführungspraxis. Wie schön, dass man die Aufführung in Zukunft immer und immer wieder erleben kann.

William Christie dirigiert Monteverdi

Claudio Monteverdi:
"L'incoronazione di Poppea", Dramma musicale

Sonya Yoncheva (Sopran)
Kate Lindsey (Mezzosopran)
Stéphanie d'Oustrac (Mezzosopran)
Les Arts Florissants
Leitung: William Christie

Label: Harmonia Mundi

Sendung: "Piazza" am 20. Juli 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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