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Album der Woche – François-Xavier Roth und Les Siècles "Bilder einer Austellung"

Im Jahr 2003 gründete der damals 31j-ährige Dirigent François-Xavier Roth Les Siècles, ein Orchester, das ausschließlich auf Instrumenten musizieren sollte, die der Entstehungszeit der jeweils aufgeführten Werke entsprechen. Längst hat sich dieses Ensemble zu einem der führenden in der sogenannten Originalklagszene entwickelt, nimmt dabei vor allem der Musik des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts unter die Lupe. Auf der jüngsten CD sind es die berühmten "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky – natürlich in Ravels Orchestrierung.

CD-Cover: François-Xavier Roth und Les Siècles mit den "Bildern einer Austellung" | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

Modest Mussorgskys Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" in der genialen Orchestrierung von Maurice Ravel dürfte nicht viel weniger populär sein als Mozarts "Kleine Nachtmusik". Die Frage, ob angesichts von geschätzt 200 Aufnahmen eine weitere zwingend nötig ist, liegt natürlich nahe. Diese hier aber ist nötig. Klanglich so aufregend neu und gleichzeitig so schön habe ich das Werk seit meiner ersten Begegnung vor einigen Jahrzehnten jedenfalls nicht mehr gehört. Was Dirigent François-Xavier Roth und die 74 Musikerinnen und Musiker seines Originalklang-Orchesters Les Siecles da in ihrer gerade erschienenen Einspielung bieten, ist schlicht eine Offenbarung. Und eine nicht für möglich gehaltene Wiederentdeckung.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… ein Stück, das er richtig gut zu kennen glaubt, neu entdecken möchte.

Dieses Album lohnt sich, weil …
… es so deutlich zeigt, wieviel Aufregendes die sogenannte Originalklangszene unverändert zu bieten hat.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… es in Erinnerung ruft, wie wunderbar unterschiedlich Symphonieorchester klingen können.

Breite Palette instrumentaler Charakteristika

Die "Bilder einer Ausstellung" gespielt auf Darmsaiten? Mit Holz- und Blechblasinstrumenten, die zwischen 1885 und 1930 gebaut wurden, mit einer Ausnahme, dem Saxophon, das von 1950 stammt? Ist das wirklich mehr als Liebhaberei? Kein Anachronismus, ganz so, als würde eine moderne Armee heute mit Vorderladern in den Kampf ziehen? Es ist viel mehr. Es sind jene Instrumente, die Maurice Ravel vor hundert Jahren gehört und für deren Klang er komponiert und orchestriert hat. Was an sich noch nichts heißt. Faszinierend und auch berührend ist vielmehr der Zauber, den dieser weichere, weniger aggressive und trotzdem alles andere als stumpfe Klang entfaltet. Zu erleben ist eine solche Farbenpracht und eine so breite Palette instrumentaler Charakteristika, dass das leicht abgespielte Werk tatsächlich in neuem Licht erscheint.

Fantastisches Hörerlebnis

Das gilt nicht anders für Ravels "La Valse" – nur, dass die Beschäftigung von Roth und Les Siecles mit der Musik von Maurice Ravel bereits einige Jahre andauert, deshalb nicht mehr ganz so überraschend neu ist. Das ändert aber nichts daran, dass auch die Begegnung mit Ravels genialer Hommage an Johann Strauß und den Wiener Walzer in Roths Deutung und in diesem Klanggewand zu einem fantastischen Hörerlebnis wird. Allzu viel fehlt diesen Musikern nicht mehr von Ravels Orchesterwerken, doch François-Xavier Roth wird sicherlich anderes entdecken. Auch die sogenannte Originalklang-Szene ist noch lange nicht an ihrem Endpunkt angekommen. Wie Roth und seine Truppe immer wieder beweisen, vor allem qualitativ nicht.

Infos zur CD

Modest Mussorgsky/Maurice Ravel:
"Bilder einer Ausstellung"
Maurice Ravel:
"La Valse"

Les Siecles
Leitung: Francois-Xavier Roth

Label: Harmonia Mundi

Sendung: "Piazza" am 09. Mai 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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