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Album der Woche – Abdel Rahman El Bacha spielt Rachmaninow Die 24 Préludes

Dass ein Pianist einer Musikerfamilie entstammt, ist nicht ungewöhnlich. Dass sich die Mutter, eine Sängerin, dem orientalischen Repertoire widmete, das der Vater als Komponist pflegt, ist schon weniger alltäglich. Abdel Rahman El Bacha wurde 1958 in Beirut geboren und begann mit neun Jahren Klavier zu spielen. Der Junge war so begabt, dass er mit zehn seinen ersten Auftritt mit Orchester absolviert. Mit zwanzig gewann er souverän den hochbegehrten Concours Reine Elisabeth. Steiler kann eine Karriere nicht sein. In Deutschland ist El Bacha dennoch nie so richtig berühmt geworden. Ein Fehler!

CD-Cover: Abdel Rahman El Bacha spielt Rachmaninow | Bildquelle: Forlane

Bildquelle: Forlane

Der CD-Tipp zum Anhören

Sergej Rachmaninow dürfte einer der größten Pianisten seiner Epoche, ja des 20. Jahrhunderts gewesen sein. Das hat den Komponisten Rachmaninow massiv beeinflusst. In seinen Préludes verbergen sich einige der technisch anspruchsvollsten Werke der Klavierliteratur überhaupt, auch wenn ihr unendlicher melodischer Reichtum gut darüber hinwegzutäuschen vermag. Jede noch so hanebüchene Schwierigkeit verpackte Rachmaninow in einen völlig natürlich wirkenden melodischen Fluss, gepaart mit unerhörtem harmonischem Reichtum und einem raffinierten Kontrapunkt, also einer Organisation und Führung der Einzelstimmen, die sich hinter einem Johann Sebastian Bach oder Frédéric Chopin kaum verstecken muss.

Kurz und bündig

Dieses Album wird jeder lieben, der …
… bei Sergej Rachmaninow nicht nur an die ganz großen Gefühle, sondern auch an Strukturen und kompositorische Qualität denkt.

Dieses Album lädt ein zum …
… Wieder- und Wiederhören. So gespielt, wird einem Rachmaninow nie zu viel.

Dieses Album lohnt sich, weil …
… sich damit ein großer Pianist, um den es etwas still geworden ist, neu entdecken lässt.

Höchste Brillanz und klangliche Farbigkeit

Natürlichkeit sei ein herausragendes Merkmal von Rachmaninows Kompositionsstil, meinte Abdel Rahman El Bacha. Und genau damit lässt sich das Klavierspiel dieses bedeutenden libanesisch französischen Pianisten charakterisieren. 1978 hat El Bacha im Alter von 20 Jahren mit dem Concours Reine Elisabeth einen der weltweit bedeutendsten Klavierwettbewerbe gewonnen. Zu den publicityträchtigen und glitzernden Klavierstars gehörte er allerdings nie – etwas in dieser Art hat ihn auch nie interessiert. Das ändert nichts daran, dass seine Aufnahmen aller Beethoven-Sonaten oder der Klavierwerke von Chopin auch nach Jahrzehnten zu den herausragenden gehören. Und genauso atmen bei El Bacha die 23 Préludes op. 23 und 32 von Sergej Rachmaninow bei höchster Brillanz und klanglicher Farbigkeit eine angenehm gelassene Selbstverständlichkeit und überragende Klarheit. Selbst einen Reißer wie das berühmte, leider ein wenig überstrapazierte cis-Moll-Prélude op. 3 Nr. 2 hört man in seiner betont unspektakulären Interpretation wieder gern.

Interessant ist die Struktur

Schon vor 17 Jahren hat El Bacha diese 75 Minuten Musik aufgenommen, doch erschienen ist sein Rachmaninow-Album wohl nie, und das wäre ziemlich seltsam. Denn bei allem Verzicht auf vordergründige Virtuosität, auf Tastendonner und jeden noch so leisen Anflug von unangenehmer Sentimentalität bietet El Bacha fantastisches Klavierspiel. Er nimmt Rachmaninow ganz einfach ernst, macht ihn nicht zum überromantischen Salonlöwen, ertränkt die Musik nicht im Pedalnebel. Was El Bacha in diesen mal zwei-, mal fünfminütigen Miniaturen interessiert, ist nicht der emotionale Überschwang, sondern die Struktur. Und die ist bei Rachmaninow alles andere als dürftig. Ein gerne unterschätzter großer Komponist – daran lässt Abdel Rahman El Bacha nicht den geringsten Zweifel.

Infos zu den CDs

Sergej Rachmaninow:
Die 24 Préludes

Abdel Rahman El Bacha (Klavier)

Label: Forlane

Sendung: "Piazza" am 31. Juli 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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