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Album der Woche – Riccardo Muti dirigiert Dmitrij Schostakowitsch: Symphonie Nr. 13

Babij Jar steht für eines der schlimmsten Verbrechen der Nazis: 1941 erschossen SS-Truppen in der gleichnamigen Schlucht bei Kiew fast 34.000 Juden. Der Dichter Jewgenij Jewtuschenko wurde erst 1961 darauf aufmerksam – und setzte den Opfern mit seinem Gedicht "Babij Jar" ein Denkmal. Darin zog er Parallelen zwischen dem Judenmord in der Ukraine und dem Antisemitismus in der Sowjetunion. Mit vier weiteren Jewtuschenko-Gedichten machte Dmitrij Schostakowitsch daraus eine fünfsätzige Vokalsymphonie. 75 Jahre nach Kriegsende ist dieses Werk aktueller denn je.

CD-Cover – Riccardo Muti dirigiert Schostakowitsch: Symphonie Nr. 13 | Bildquelle: CSO Resound

Bildquelle: CSO Resound

Der CD-Tipp zum Anhören

Düster schreitend wie ein Trauermarsch beginnt von Dmitrij Schostakowitschs monumentale 13. Symphonie. Vom ersten Ton an trifft Riccardo Muti mit dem Chicago Symphony Orchestra die beklemmende Atmosphäre dieses Spätwerks – mit straffer Hand und schneidender Präzision. Und wenn dann der kraftvolle Männerchor des Orchesters als grölender Mob zum Judenmord aufruft, bekommt man eine Gänsehaut.

Erinnerungen an Gustav Mahler

Seine Vorliebe für sarkastische Töne hat Schostakowitsch im zweiten Satz ausgelebt. Er feiert darin den Witz subversiv als politische Waffe. Mit der ihm eigenen Vehemenz präsentiert Muti dieses Kabinettstück, tänzerisch zündend und grell überdreht. Wie der Komponist hier jüdische Volksmusik verarbeitet hat, erinnert an Gustav Mahlers Montagetechnik.

Kurz und bündig

Dieses Album muss man haben, weil …
… es eine der besten Aufnahmen der 13. Symphonie von Schostakowitsch ist.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… auch die Klangqualität dieses denkwürdigen Konzertmitschnitts exzellent ist.

Dieses Album lädt ein zum …
… Innehalten und Nachdenken.

Hinter jeder Ecke lauert Gefahr

Die überall lauernden Ängste vor Spitzeln und Denunzianten im vierten Satz hat Schostakowitsch in die tiefsten Regionen verlegt – mit einem bedrohlichen Solo der Bass-Tuba und dumpfen Gong-Schlägen. Effektvoll schöpft Muti die Instrumentationskunst des Komponisten aus: Wie in einem Horrorfilm lauert hinter jeder Ecke Gefahr.

Momente von lyrischer Schönheit

Großen Anteil an der Überzeugungskraft dieser Aufnahme hat der phänomenale russische Bassist Alexey Tikhomirov. Im visionären Finale dieser Symphonie gelingen ihm Momente von lyrischer Schönheit – da lässt Schostakowitsch einen Hoffnungsschimmer aufleuchten.

Modellhafte Interpretation

Riccardo Muti und seinem exzellenten Orchester ist eine modellhafte Interpretation wie aus einem Guss gelungen. Der überwältigenden Intensität dieser Aufführung aus Chicago, die aufnahmetechnisch brillant eingefangen ist, kann sich niemand entziehen. "Babij Jar" geht uns hier alle an: als klingendes Mahnmal und flammender Appell gegen das Vergessen.

Infos zur CD

Dmitrij Schostakowitsch:
Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113 "Babij Jar"

Alexey Tikhomirov (Bass)
Chicago Symphony Orchestra
Männerstimmen des Chicago Symphony Chorus
Leitung: Riccardo Muti

Label: CSO Resound

Sendung: "Piazza" am 23. Mai 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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