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Album der Woche – Francesco Piemontesi spielt Schuberts letzte Klaviersonaten

Es gibt Interpreten, die längst nicht so berühmt sind, wie sie verdient hätten. Francesco Piemontesi ist so einer. Sein neues Album mit den drei letzten Sonaten von Franz Schubert ist eine großartige Chance für alle Klavierfans, sich von seinem Können begeistern zu lassen.

CD-Cover: Francesco Piemontesi spielt Klaviersonaten von Schbert | Bildquelle: PentaTone

Bildquelle: PentaTone

Album der Woche 30. November 2019

Francesco Piemontesi spielt Schubert

In dieser Musik steckt einfach alles drin: Euphorie und Verzweiflung, abgründige Ruhe und mitreißende Energie. Und das überstrahlt von einer süchtig machenden, in jedem Ton zum Herzen sprechenden Schönheit. Hier steckt wirklich Schuberts Essenz. Und Francesco Piemontesi geht diesen rätselhaften, geradezu überlebensgroßen Stücken gnadenlos auf den Grund.

Teilweise krasse Gefühle

Zwar ist diese Musik voller Nostalgie, aber sie ist alles andere als gemütlich. Hier geht es um heftige, verstörende, teilweise krasse Gefühle. Es gibt Stellen, die in ihrer alle Konventionen sprengenden Dramatik wie eine auskomponierte Katastrophe klingen – etwa im langsamen Satz der A-Dur-Sonate. Immer wieder gibt es beim späten Schubert solche Abschnitte, bei denen einem sozusagen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Piemontesi spielt das gnadenlos, mit aller gebotenen Härte. Aber er verfällt nie in übertriebene Neurotik, bleibt auch in den Extremen ganz klar.

Kurz und bündig

Dieses Album hört man am besten …
… an langen Winterabenden – denn bei Piemontesi klingt Schuberts Musik so klar und leuchtend wie ein vom Föhn blankgefegter Septemberhimmel in den Alpen.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… es auch aufnahmetechnisch exzellent ist.

Dieses Album lohnt sich, weil …
... es hoffentlich vielen Klassikfans deutlich macht, dass Francesco Piemontesi einer der ganz großen Pianisten der Gegenwart ist.

Musikalischer Septemberhimmel

Sein Anschlag kennt alle Nuancen, klingt dabei aber immer wunderbar hell und offen. Viele Pianisten verbinden mit Schubert ja gern einen verschleierten, weichen, eher dunklen Klavierklang. Das ist falsch verstandene Wiener Gemütlichkeit. Nein, Schuberts Musik braucht keine Nebelschleier. Piemontesi spielt sehr durchsichtig, aber alles andere als kühl. Die Musik leuchtet wie ein vom Föhn blankgefegter Septemberhimmel in den Alpen. Und man staunt, wie weit man sehen kann und wie deutlich sich alles abzeichnet.

Ohne Manierismus

Einfach bewundernswert ist Piemontesis langer Atem. Klug baut er Steigerungen auf, zielsicher steuert er auf Höhepunkte zu. Plastisch ordnet er die verschiedenen Stimmen im Vorder- und Hintergrund an, gibt den Themen Raum und Tiefe. Dabei bleibt er immer natürlich und völlig unmanieriert – und so gelingen ihm unglaublich berührende Momente, wenn sich nach einem dramatischen Ausbruch die Melodien wieder einfach nur selbstvergessen aussingen dürfen. 

Sternstunde in B-Dur

Zwei der drei letzten Sonaten auf dieser auch klanglich exzellenten Aufnahme sind Studioeinspielungen. Ausgerechnet die letzte und längste, die fast 45 Minuten dauernde B-Dur-Sonate, ist live im Konzert aufgenommen. Man reibt sich ungläubig die Augen. Selbst wenn die eine oder andere Stelle nachträglich korrigiert sein sollte, wie bei Live-Aufnahmen allgemein üblich: Dieses Konzert am 14. Februar 2018 war ganz offensichtlich eine Sternstunde. Nochmal: Francesco Piemontesi ist ein großartiger Pianist – und dieses Album ist unbedingt hörenswert.

Francesco Piemontesi spielt Schubert

Franz Schubert:
Klaviersonate Nr. 19 c-Moll, D 958
Klaviersonate Nr. 20 A-Dur, D 959
Klaviersonate Nr. 21 B-Dur, D 960

Francesco Piemontesi (Klavier)

Label: Pentatone

Sendung: "Piazza" am 30. November 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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