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CD - Claudio Abbado dirigiert Schuberts Große C-Dur-Symphonie

Auch nach seinem Tod sorgt Claudio Abbado mit CD-Veröffentlichungen aus dem Nachlass für Aufsehen in der Klassik-Szene. Nun ist ein Live-Mitschnitt von Franz Schuberts Neunter erschienen, der sogenannten "Großen C-Dur-Symphonie".

CD-Cover Claudio Abbado dirigiert Schubert | Bildquelle: Deutsche Grammophon

Bildquelle: Deutsche Grammophon

CD-Tipp 20.06.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Gewiss, Claudio Abbado war ein Charismatiker. Aber sicher nicht einer vom Typ Zuchtmeister oder Schamane im Frack. Während er Interviews mied, war er für seine Orchestermusiker stets ansprechbar. Abbado, der Anti-Guru. Wirklich aufblühen konnte er nur in familiärer Umgebung. Und am wohlsten fühlte er sich in den Orchestern, die er selbst gegründet hatte. Da war er für alle Claudio, da kannte er wichtige Bläsersolisten seit Jahren. Und am meisten liebte er es, junge, unverbrauchte Musiker, die noch förmlich dürsteten nach intensiver Probenarbeit, mit international renommierten Solisten zu mischen. So hielt er es auch im Orchestra Mozart, seinem jüngsten und liebsten Kind.

Als es Abbado 2004 ins Leben rief, hatte er bereits das Jugendorchester der Europäischen Union, das Chamber Orchestra of Europe, das Gustav Mahler Jugendorchester, das Mahler Chamber und das Lucerne Festival Orchestra gegründet. Mochte auch, zumal in Italien, überall der Rotstift regieren in der Kulturpolitik - Abbado war und blieb ein unverbesserlicher Optimist. Doch schon wenige Tage vor seinem Tod am 20. Januar 2014 musste das Orchestra Mozart seine Aktivitäten einstellen. „Vorläufig“, hieß es damals. Bis heute ist das Orchester nicht wieder zum Leben erwacht.

Philharmonischer Wohlklang und geschärfte Prägnanz

Wie schade das ist, zeigt die jetzt veröffentlichte CD. Sie basiert auf zwei Konzerten im September 2011, die Abbado mit seinem Orchestra Mozart in Bologna gab. Schuberts "große" C-Dur-Symphonie hatte er bereits in den 80er-Jahren eingespielt. Doch zu Abbados Charisma gehörte eben auch die Fähigkeit zur ständigen Verwandlung und Verjüngung. Gegen Ende seines Lebens fand er zu einem immer schlankeren, lebendigeren Klang, nahm Impulse aus der Alte-Musik-Bewegung auf und bewahrte sich dabei die wunderbare und im besten Sinn romantische Klangsensibilität. Eine bestechende Synthese aus traditionellem philharmonischem Wohlklang und geschärfter Prägnanz.

Geradezu atemberaubend ist die dynamische Spannbreite – da kommen Steigerungen wirklich aus dem Nichts, um sich in kürzester Zeit mit bedrohlicher Dramatik zu entladen. Aber das Schönste ist, wie natürlich Schuberts Melodielinien ausschwingen, wie die Musik atmet, wächst, aufblüht und wie von selbst ins Fließen kommt. Interpretatorische Mätzchen und pseudo-dämonisches Getue hatte dieser große Dirigent nicht nötig. Abbado inszenierte sich eben nicht Guru oder als Schamane im Frack, und wenn er zauberte, dann war es weiße Magie. Diese CD macht, anderthalb Jahre nach seinem Tod, ein bisschen wehmütig. Schön, dass sie jetzt veröffentlicht wurde.

Franz Schubert: Symphonie D 944

Orchestra Mozart
Leitung: Claudio Abbado
Label: Deutsche Grammophon

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