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CD - Motetten und Chansons Das Songbook der Anne Boleyn

Sakralmusik francoflämischer Komponisten wie Mouton, Brumel oder Févin. Chansons, etwa von Claudin de Sermisy, den Anne Boleyn am französischen Hof wohl kennengelernt hat. Die anonyme Vertonung eines neulateinischen Textes, der die Lazarus-Geschichte des Neuen Testaments mit der griechischen Mythologie verknüpft und die monumentale Motette "Liber generationes" von Iosquin de Prés. Der satte - dabei nie gepresste - Klang, vor allem im tiefem Register, und die sachkundige Herangehensweise zeichnen die Alamire-Einspielung aus.

Das Songbook der Anne Boleyn | Bildquelle: Obsidian

Bildquelle: Obsidian

England 1536. Im Tower von London erwartet Anne Boleyn, Königin von England, ihre Hinrichtung. Erst drei Jahre zuvor hatte König Heinrich VIII. seine Ehe für sie annullieren lassen und dafür sogar mit dem Papst in Rom gebrochen. Doch wie seine erste Frau Katharina von Aragon schenkt auch Anne Boleyn dem König keinen männlichen Thronfolger. Als sie schließlich mehrere Fehlgeburten erleidet, wird der König ihrer allmählich überdrüssig. Wegen Ehebruchs lässt er sie schließlich hinrichten. Anne Boleyn ist die zweite der insgesamt sechs Ehefrauen Heinrichs VIII. Als sie als junge Dame bei Hof eingeführt wird, ist sie bald in aller Munde: wegen ihres scharfen Verstandes, ihrer schlagfertigen Zunge und ihrer gewagten Kleider.

Songbook der Anne Boleyn

Sie war viel gereist und hatte eine umfassende, nicht zuletzt musische Bildung genossen. Davon zeugt in besonderer Weise eine Musikhandschrift, die mit ihrem Namenskürzel versehen ist. Das Songbook der Anne Boleyn. Vermutlich ist es um 1520 in Frankreich entstanden. Das überwiegend französische Repertoire spricht dafür. Und es passt in's Bild: Anne Boleyn hatte einige Jahre am Hof des französischen Königs gelebt. Das Ensemble Alamire hat das alte Manuskript durchforstet und eine wohl bedachte Auswahl davon auf CD aufgenommen. Die Stücke sprechen von den verschiedenen Facetten der Liebe, für den Musikwissenschaftler und Chorleiter David Skinner das Lebensthema der Anne Boleyn.

Komposition aus der Kerkerzelle

Das Repertoire ist gemischt: Sakralmusik francoflämischer Komponisten wie Mouton, Brumel oder Févin. Chansons, etwa von Claudin de Sermisy, den Anne Boleyn am französischen Hof wohl kennengelernt hat. Die anonyme Vertonung eines neulateinischen Textes, der die Lazarus-Geschichte des Neuen Testaments mit der griechischen Mythologie verknüpft und die monumentale Motette "Liber generationes" von Iosquin de Prés. Der satte - dabei nie gepresste - Klang, vor allem im tiefem Register, und die sachkundige Herangehensweise zeichnen die Alamire-Einspielung aus. Nur beim letzten Stück der CD weicht Ensembleleiter David Skinner vom strengen Fahrplan ab, den die Boleyn-Handschrift vorgibt: Das Stück "O Death rock me asleep" - "Oh Tod, wiege mich in den Schlaf" stammt nämlich nicht aus dem Manuskript. Vielmehr wird der Text Anne Boleyn selbst zugeschrieben. Sie soll ihn in ihrer Kerkerzelle im Tower von London verfasst haben, wenige Tage vor ihrer Hinrichtung.

Ob dies den Tatsachen entspricht, bleibt ungeklärt. Überliefert sind uns aber ihre letzten Zeilen an den König: "Sire, das Missfallen Euer Gnaden und meine Einkerkerung sind für mich so seltsame Dinge, dass ich gar nicht weiß, was ich schreiben und wofür ich mich entschuldigen soll. Kein Fürst hat je eine treuere Gattin in aller Pflicht und Zuneigung gehabt, als Ihr in Anne Boleyn gefunden habt. Aus meinem kummervollen Gefängnis im Tower an diesem 6. Mai 1536, Eure allergetreuste und stets ergebene Gattin Anne Boleyn."

Das Songbook der Anne Boleyn

Jean Mouton, Antoine Brumel, Josquin de Prés
Motetten, Chansons
Alamire, Leitung: David Skinner
Label: Obsidian

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