BR-KLASSIK

Fünf Tracks auf der CD, aber eigentlich doch ein zusammenhängendes Ganzes. "The Meridian Suite" hat der Schlagzeuger Antonio Sanchez sein Werk genannt, nach den Meridianen, die als Längengrade die Erdkugel umspannen oder als Energieleitbahnen den menschlichen Körper durchfließen. Und entsprechend heißen auch die einzelnen Teile, sozusagen die Sätze dieser Suite: beispielsweise Channels of Energy oder Magnetic Currents.

Antonio Sanchez beschränkte sich für die Meridian Suite nicht durch Längenvorgaben oder stilistischen Grenzen. Er ließ seinen kompositorischen Impulsen freien Lauf – und hat eine atmende, grundsätzlich eher rock-jazzige Klanglandschaft geschaffen, locker, aber konsequent zusammengehalten durch einige wiederkehrende motivische Ideen.

Sanchez realisierte sein bisher ambitioniertestes kompositorisches Projekt mit seiner von ihm so genannten "working band" Migration. Dazu gehören Matt Brewer an den akustischen und elektrischen Bässen, John Escreet, Piano und Rhodes, sowie der fantastische Saxophonist Seamus Blake, der auch Sounds mit dem Electronic Wind Interface beisteuerte, einer Art Saxophon-Synthesizer. Gerade Seamus Blake hat einen großen Anteil an dem faszinierenden Sog, der von dieser CD ausgehen kann. Von ihm sagte John Scofield einmal, er wäre ein "total saxophonist". Wenn man diese CD hört, dann weiß man, was er damit meint.

Auch in einem solch durchgestalteten Gebilde gibt es Freiräume für solistische Ausflüge. Und es spricht für sich, dass die Improvisationen naht- und bruchlos im musikalischen Flow aufgehen. Als klangliche Farbtupfer wurden noch einige Overdubs von Sängerin Thana Alexa und dem Gitarristen Adam Rogers hinzugefügt. Wie viel Antonio Sanchez bei seinem Arbeitgeber Pat Metheny gelernt hat, davon zeugen neben den vielen parallel geführten melodischen Linien und den meist wortlos-instrumental eingesetzten Vocals nicht zuletzt die dramaturgisch perfekt ausgespielten lang angelegten Steigerungen.

Bei alledem hat es Antonio Sanchez nicht nötig, sich selbst als schlagwerkender Bandleader übermäßig in Szene zu setzen. Sein hoch inspiriertes Spiel steht ganz im Dienste seiner Musik, es schärft die Konturen und unterstützt die hypnotische Athmosphäre dieser knapp einstündigen Jazz-Suite. Die eigentliche Leistung der Musiker aber ist es, ein so umfassendes und durchgeplantes Stück keine Spur eingeübt oder abgespielt klingen zu lassen. Man hat das Gefühl, einer bestens eingespielten Live-Band zuzuhören, die ganz unakademisch mit den Versatzstücken der Jazzmusikgeschichte jongliert.