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CD - Armida Quartett Beethoven und Schostakowitsch

Damals wunderten sich Musiker, Publikum und Kritiker über Beethoven. Heute wundert man sich über die Reaktionen von damals. Die drei Streichquartette op. 59 waren für Beethovens Zeitgenossen schwer zu verdauen. Das sei ja wohl nicht als Musik gemeint, Beethoven habe sich da offenbar einen Scherz erlaubt, und überhaupt: Wie soll man das spielen?

CD-Cover: Das Armida-Quartett spielt Beethoven und Schostakowitsch | Bildquelle: Avi Music

Bildquelle: Avi Music

CD Tipp 23.09.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Beethoven antwortete auf solche Kritik mit selbstbewusstem Sarkasmus. Legendär der Spruch, mit dem er einen Geiger abkanzelte, als der sich über die enormen Schwierigkeiten beschwerte: "Glaubt er, ich denke an seine elende Geige, wenn der Geist zu mir spricht?" Außerdem habe er das habe er für eine spätere Zeit geschrieben. Also für uns, für das Jahr 2016?

Beethovens radikaler Avantgardismus

Das Armida Quartett würde diese Frage ganz sicher begeistert bejahen. Nur liegen die Schwierigkeiten bei Beethovens F-Dur Streichquartett op. 59 für heutige Hörer und Spieler etwas anders als bei der Uraufführung 1806. Enorm lang und schwierig ist das Stück natürlich immer noch. Aber der radikale Avantgardismus, mit dem Beethoven hier in musikalisches Neuland vorstößt, löst sich für heutige Hörer allzu leicht in Wohlgefallen auf. Schließlich haben wir, anders als Beethovens Zeitgenossen, ja auch all das in den Ohren, was danach kam - ob nun von Strawinsky, Stockhausen oder den Stones. Beethoven, der all das maßgeblich mit ausgelöst hat, nicht als unangreifbaren Klassiker, sondern als streitbaren Avantgardisten hörbar zu machen, das ist die Aufgabe. Und das Armida Quartett löst sie bravourös. Konsequent verzichten die vier auf alles, was Beethovens Radikalität abschwächen könnte. Lautstärkeunterschiede werden maximal ausgereizt, ein plötzliches fortissimo darf als Schockmoment wirken, Schönklang ist zweitrangig. Und wenn Beethoven strapaziös schnelle Tempi fordert, dann wird die Musik eben zur Tour de force, mit lustvoller Intensität und körperhaft direkt.

Schostakowitschs herber Sarkasmus

Gegen diesen Grenzen sprengenden Beethoven wirkt das 10. Streichquartett von Dmitrij Schostakowitsch, obwohl immerhin gut 150 Jahre später entstanden, fast zurückgenommen. Die fahlen und sarkastischen Klänge dieser Musik passen ausgezeichnet zum herben, ungeschönten, sehr direkten Klangideal des Armida Quartetts. Eigentlich arbeitet die vier ja gerade an einer Serie mit Mozart-Einspielungen. Doch während ihre erste Mozartplatte gelegentlich etwas manieristisch wirkt, mit allzu viel gewollter Interpretations-Arbeit, spielen sie Beethoven und Schostakowitsch wunderbar geradeaus, mit vollem Vertrauen, dass diese Werke für sich selbst sprechen, wenn man sich nur traut, sie ebenso mutig zu spielen, wie sie komponiert wurden. Musik von 1964 und von 1806 - aus den Händen des Armida Quartetts wirkt sie gleichermaßen gegenwärtig, brisant und neuartig.

Das Armida-Quartett spielt Beethoven und Schostakowitsch

Ludwig van Beethoven:
Streichquartett F-Dur op. 59 Nr. 1
Dmitrij Schostakowitsch:
Streichquartett Nr. 10 As-Dur, op. 118

Armida Quartett

Label: Avi Music

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