BR-KLASSIK

Töne, die ansprechen. Die sich mitteilen. Der israelische Trompeter Avishai Cohen formt mit seinem Instrument nicht nur wunderschön klingende Gebilde, sondern er spricht mit ihnen so eindringlich zu den Zuhörern, wie es nur ganz wenigen Musikern gelingt.

Bildquelle: ECM

CD-Tipp 07.03.2016

Avishai Cohen: "Into the silence"

Faszinierend, wie diese zarte und zugleich ungemein konturenscharfe Trompetenstimme sich in die Harmonien schmiegt und manchmal wie ein Lichtstrahl über der Klavierstimme zu glimmen scheint. Musik, die noch so leise sein kann: Sie hat eine fesselnde Kraft.

Und das liegt auch am Gespür für die musikalischen Partner. Eine traumhafte Band hat sich Avishai Cohen hier zusammengestellt: Schlagzeuger Nasheet Waits, Bassist Eric Revis und Pianist Yonathan Avishai sind ein Gespann, das hier eine schier unfassbare atmosphärische Dichte zuwege bringt. Eine elegische Ballade gleitet dann schon mal in hinreißend bluesige Facetten hinein.

Leuchtende Klänge – voller Schattenmomente. Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht. Denn genau das ist auf dieser CD zu entdecken. Schon das erste Stück "Life and Death" macht die Thematik deutlich, um die es in dieser Musik geht. Avishai Cohen reflektiert hier die letzten Tage im Leben seines Vaters. Nicht nur schöne Worte also, der Name der CD: "Into The Silence".

Sehr bald merkt man bei dieser CD: Es ist wohltuend, wenn Musik sich auf hohem Niveau existenzielle Fragen stellt. Hier ist kein Ton harmlos, jeder geht in eine emotionale und geistige Tiefe. Aber was für eine Auftriebskraft entwickeln die Töne dabei zugleich!

Mit dem Saxophonisten Bill McHenry, der mit kraftvoll-schnörkellosem, nüchtern-intensivem Ton spielt, tritt Cohen immer wieder in feine Dialoge. Die beiden Stimmen umranken einander – und es entsteht, etwa zusammen mit den geballt-intensiven Rhythmen des Schlagzeugers, dichte Kommunikation.

Es ist pulsierender Jazz auf der Höhe der Zeit. Und: Es ist aufregende, weltumspannende Kammermusik. Avishai Cohen hat bereits als Zehnjähriger Auftritte absolviert – und etwa unter Zubin Mehta und Kent Nagano in Israels nationalem Jugendorchester gespielt. Jazz mit weitem Horizont – und Klängen, die ihn auf ungemein spannende und klangsinnliche Art abstecken. In die Stille hinein kann man hier lauschen – und spüren.