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CD - Yo-Yo Ma spielt Bach Die sechs Cellosuiten

Zweimal bereits hat Yo-Yo Ma die Bach-Suiten eingespielt, 1982 und 1994. Beim ersten Mal war er nicht mal dreißig. Ihm war klar, dass jene Einspielung nicht sein letztes Wort zu dieser Musik sein würde: Ein Anfang, ein Versprechen. Beim zweiten Mal hatte Yo-Yo Ma Künstlerinnen und Künstler gebeten, sich ebenfalls mit dieser Musik auseinanderzusetzen: Mit Videos, in Bildern, in Form von Gartenbau-Kunst. Die Ergebnisse dieser künstlerischen Parallel-Aktionen wurden gleichzeitig mit der CD veröffentlicht. Nun hat Yo-Yo Ma eine dritte Einspielung vorgelegt.

CD-Cover: Yo-Yo Ma spielt Bachs Cellosuiten | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Was für eine beglückende Erfahrung! Da ist ein Weltstar, 62 Jahre alt, arriviert, mit Preisen überhäuft. Jemand, der ganz genau weiß, was er macht und was er kann. Und der diese Musik hört und liebt, solang er sich erinnert – und seit mehr als 50 Jahren fast täglich spielt. Bereits zweimal hat Yo-Yo Ma Bachs Solosuiten für Cello auf CD eingespielt. Muss das also sein? Wozu eine dritte Einspielung, wo doch die Bach-Suiten ohnehin für jeden Cellisten zum täglichen Brot gehören und dementsprechend häufig aufgenommen werden? Anders gefragt: Muss das nicht irgendwann langweilig werden?

Hörend erleben, genießen und feiern

Die Antwort ist: nein, und das macht diese Aufnahme so beglückend. Sie beweist das Gegenteil, deshalb macht sie so viel Freude. Gemeinsam mit einem großen Interpreten kann man hier hörend erleben, genießen und feiern, dass diese Musik, solange man sich ihr mit offenem Herzen nähert, gar nicht langweilig werden kann. Dass niemand jemals mit ihr fertig werden wird. Dass sie im produktiven Sinn unendlich ist: ein Feld der Möglichkeiten, eine Einladung, ein offener Raum.

Bach als Jungbrunnen

Was noch lange nicht heißt, dass jeder Cellist drei Einspielungen machen sollte – und noch weniger, dass die dann auch automatisch hörenswert wären. Diese ist es. Yo-Yo Ma taucht in Bachs Musik ein wie in einen Jungbrunnen. Spontan und zupackend wirkt sein Spiel, lustvoll, frei. Kein erhobener Zeigefinger, keine weihevolle Aura, keine didaktische Grübelei. Stattdessen tänzerischer Drive, Lust an der spielerischen Kombinatorik, mitreißende Bewegungsenergie.

Phantasie gefordert

Mehrstimmige Musik auf einem unbegleiteten, solistischen Streichinstrument – das ist die Herausforderung, die Bach an sich selbst und an seine Interpreten und Hörer stellt. Immer verstecken sich mehrere Stimmen in dieser Musik für einen Solisten, Stimmen, die sich miteinander unterhalten. Gerade deshalb ist dabei so sehr die Phantasie gefordert: Die verschiedenen Linien müssen sich gegeneinander absetzen, um in einen Dialog treten zu können. Dafür gibt es keine endgültigen Lösungen, nur Momentaufnahmen.

Befreiende Momente meditativer Ruhe

Spontaneität und improvisatorische Freiheit gehören deshalb zum Kern dieser Musik. Wer einfach nur die Noten spielt und dabei im Rhythmus bleibt, hat nichts verstanden. Yo-Yo Ma stürzt sich lustvoll auf die unendlichen Möglichkeiten, die sich der Phantasie hier bieten – lässt sich aus dem Moment heraus inspirieren, auch mal von sich selbst überraschen. Er setzt gegenläufige Akzente, hebt bei der Wiederholung ganz bewusst andere Linien hervor als beim ersten Mal – und beschwört immer wieder befreiende Momente der meditativen Ruhe. Und doch wirkt nichts an seinem kraftvoll-energetischen Spiel manieristisch oder bloß gewollt. Dafür ist er mit dieser Musik viel zu sehr verwachsen – und dafür ist er ein zu großer Musiker. Bei ihm ist alles vom Atem getragen, vom Körper, von den natürlichen Quellen dieser Musik, dem Singen und dem Tanzen. Und deshalb wirkt seine Interpretation, so spontan und ideenreich sie ist, nie willkürlich. Eine beglückende Erfahrung.

Yo-Yo Ma spielt Bach

Johann Sebastian Bach:
Sechs Suiten für Violoncello solo BWV 1007-1012

Yo-Yo Ma (Violoncello)

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 24. September 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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