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CD - Alexandre Tharaud spielt Bachs Goldberg-Variationen

Sagen, was noch nie gesagt wurde. Der Wahrheit auf den Grund gehen, nicht nachlassen. Rumspintisieren mit allen den einmaligen Begabungen, die einem zuteil wurden. Auf den Wirklichkeitssinn pfeifen, den Möglichkeitssinn pampern. Na, was steckt drin in dieser unschuldigen Aria in G-Dur? Hingabe? Trauer? Liebe? Quatsch? Schmerz? Alles. Man ist ja schließlich Bach. Und ein "gereifter" Bach noch dazu.

Alexandre Tharaud spielt die Goldberg-Variationen | Bildquelle: Erato

Bildquelle: Erato

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Die "Aria mit verschiedenen Veränderungen vors Clavicimbal mit zwei Manualen" G-Dur, im Druck erschienen 1741 in Nürnberg, ist Bachs späteste Groß-Komposition für Klavier, und seine exzessivste dazu: Ein Stück, das, wenn man alle Wiederholungen spielt – was man übrigens, Monsieur Tharaud, finde ich, tun sollte, - ein Klavierstück also, das bald eineinhalb Stunden dauert, sowas hatte sich bis dato noch keiner getraut in der abendländischen Musik. Naja, man muss es halt können. Und Johann Sebastian Bach kann, kann, kann. Musik auf der Höhe. Hinein also in diesen Kosmos des menschlichen Daseins in Tönen. Wer keine Kanons analysieren will, gibt den Alltagsverstand bitte an der Garderobe ab, ist ganz Ohr, lässt sich einfach fallen. Singt, tanzt, träumt, schmunzelt, schwelgt, weint. Höhen, Tiefen, Wonnen ohne Ende.

Reibungen, Rätsel und Abgründe

Was für eine Wonne muss es erst sein, die "Goldberg-Variationen" zu spielen, als Pianist von Rang im Vollbesitz des Klavierspielen-Könnens! Man glaubt sie Alexandre Tharaud anzuhören, die lichterfüllte Freude. Es ist die Freude eines pianistischen Philosophen: Präzise formuliert Tharaud, geschmeidig, fern aller Hemdsärmeligkeiten, abhold allen Manierismen. Mittelstimmen singen versonnen vor sich hin, Bässe vollführen Bocksprünge, Melodien leuchten auf, nachdenklich-vital, ein subtiles Spiel aus Anspannung und Loslassen, aus Einatmen und Ausatmen. Atmen aber ist überall. Und trotz aller "Clarté": Ein "Schönwetter"-Bach ist das nicht, sondern einer voller innerer Reibungen, Rätsel und Abgründe.   

Vorsicht, Suchtgefahr

"FSK ab 0 Jahren freigegeben" hat Erato auf die CD kleben lassen - vielleicht doch eine Spur albern das. Mal davon abgesehen: Tharauds "Goldberg-Variationen" – eine Sache ganz "ohne Risiken und Nebenwirkungen"? Sicher nicht. Vorsicht: Der Genuss dieser CD kann zu signifikanter emotionaler Bereicherung führen. Suchtgefahr erheblich.

Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen, BWV 988

Alexandre Tharaud, Klavier
Label: Erato/Warner Classics

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